Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Leitsatz
Es ist zweifelhaft, ob ein durch eine Geschäftsführungsmaßnahme ausgelöster Beteiligungserwerb an einem anderen Unternehmen mit Rücksicht auf eine dahinter stehende unternehmerische Gesamtkonzeption seine Eigenschaft als eigenständiger Geschäftsvorgang verlieren und dadurch untrennbarer, unselbständiger Bestandteil der unternehmerischen Geschäftsführungstätigkeit werden kann.
Sachverhalt
Die Antragstellerin ist eine deutsche Zweigniederlassung einer englischen Kapitalgesellschaft; der Unternehmensgegenstand der Antragstellerin richtet sich auf die Verwaltung und Führung von Unternehmen und Betrieben. Die Antragstellerin ist Komplementärin einer inländischen KG und führt dieser gegenüber steuerbar und steuerpflichtig Geschäftsführungsleistungen aus und hat die Haftung genommen. Im Zusammenhang mit ihrer für die KG entfalteten Geschäftstätigkeit hatte sie Beteiligungen an verschiedenen anderen branchengleichen Gesellschaften erworben. Unmittelbar nach diesen Beteiligungserwerben erfolgte jeweils die Eingliederung des technischen Wartungsgeschäfts dieser Unternehmen in den Geschäftsbetrieb der KG. Hierfür wurden deren Buchungssysteme mit denen der KG zusammengeführt und deren Rechte durch die KG genutzt bzw. auf sie übertragen. Die Weiterführung eines eigenständigen Betriebs der übernommenen Gesellschaften war nicht vorgesehen.
Im Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligungen entstanden der Antragstellerin Aufwendungen, für die sie den Vorsteuerabzug begehrte. Das Finanzamt versagte nach Betriebsprüfung die direkt zuordenbaren Vorsteuerbeträge und nahm hinsichtlich der nicht zuordenbaren Vorsteuerbeträge eine Vorsteueraufteilung vor, da sie insoweit von einer nicht unternehmerischen Tätigkeit der Antragstellerin (gemischte Holding) ausging. Da vom Finanzamt nicht in vollem Umfang nach Erlass der geänderten Bescheide die Aussetzung der Vollziehung gewährt wurde, wurde vorläufiger Rechtsschutz beim FG beantragt.
Entscheidung
Das Gericht gab dem Antrag statt. Die Aussetzung der Vollziehung ist zu gewähren, da ausreichende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestehen. Die Antragstellerin hat zweifelsfrei einen unternehmerischen Bereich, aus dem heraus sich grundsätzlich ein Vorsteuerabzugsrecht ergibt. Es bestehen ebenfalls keine Zweifel, dass die Antragstellerin als sog. Holdingunternehmen eine unternehmerische, wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet, soweit sie für die KG Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen erbrachte. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten.
Entscheidend ist, ob die Tätigkeit der Antragstellerin mit dem tatsächlich bewirkten bzw. vorgesehenen Beteiligungserwerb an verschiedenen Drittunternehmen als unselbständiger Teil ihres für die KG entfalteten, unternehmerischen Geschäftsführungsengagements anzusehen ist oder der Erwerb der Gesellschaften ein eigenständig zu beurteilender Geschäftsvorgang ist. Im ersten Fall würde sich ein Vorsteuerabzug für die damit im Zusammenhang stehenden Beratungsleistungen und anderen Eingangsleistungen ergeben; würde es sich um eigenständige Geschäftsvorfälle handeln, könnte nach den Grundsätzen der gemischten Holding ein nicht wirtschaftlicher (unternehmerischer) Bereich vorliegen, der insoweit den Vorsteuerabzug ausschließt.
Da es in der Rechtsprechung bisher nicht als abschließend geklärt angesehen werden kann, ob und ggf. unter welchen einzelnen Voraussetzungen ein durch eine Geschäftsführungsmaßnahme ausgelöster Beteiligungserwerb an einem anderen Unternehmen mit Rücksicht auf eine dahinter stehende unternehmerische Gesamtkonzeption seine Eigenschaft als eigenständiger Geschäftsvorgang verliert, sondern dadurch untrennbarer, unselbständiger Bestandteil der (unternehmerischen) Geschäftsführungstätigkeit selbst wird, bestehen ausreichende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids. Eine bisher nicht rechtskräftige Entscheidung des FG Hamburg, Urteil v. 10.10.2012, 2 K 189/10, EFG 2013 S. 255; Anhängiges Verfahren beim BFH, XI R 38/12, bejaht eine solche Ableitung aus dem Gegebensein einer entsprechenden unternehmerischen Gesamtzielstellung.
Hinweis
Geklärt ist, dass eine nur verwaltend tätige Holding (Finanzholding) nicht unternehmerisch tätig wird. Das Halten und Verwalten von Beteiligungen stellt keine wirtschaftliche Tätigkeit dar. Werden neben dieser nichtwirtschaftlichen Tätigkeit noch unternehmerische Leistungen ausgeführt, ergeben sich zwei Sphären, wobei nur für die unternehmerische Sphäre ein Vorsteuerabzug geltend gemacht werden kann.
Da im vorliegenden Fall die Tätigkeit der Antragstellerin aber nicht auf das Halten der Beteiligungen ausgerichtet war, sondern das aktive Geschäft der erworbenen oder zu erwerbenden Gesellschaften auf die KG übertragen wurde, hat das FG ausreichende Zweifel, ob der Erwerb der Beteiligungen als eigenständige umsatzsteuerrechtliche Tätigkeit angesehen werden kann. Es verbleibt die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vo...