Leitsatz
Stellt eine aus zwei Personen bestehende Miteigentümergemeinschaft ein Gebäude her, das einer der Gemeinschafter teilweise für Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeit verwendet, wird dieser Grundstücksteil (Büro) an ihn geliefert und kann daher nicht Gegenstand einer Vermietung durch den anderen Gemeinschafter sein.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 UStG 1999, § 2 Abs. 1, § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, Art. 4 Abs. 1, Abs. 2, Art. 13 Teil B Buchst. b, Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin errichtete zusammen mit ihrem Ehemann ein Wohn- und Geschäftsgebäude auf dem jedem zur Hälfte gehörenden Grundstück. 40 % nutzte der Ehemann für sein Unternehmen. Den Rest bewohnten die Eheleute gemeinsam. Die Klägerin vermietete ihren hälftigen Miteigentumsanteil an dem vom Ehemann unternehmerisch genutzten Teil an diesen und beanspruchte die Vorsteuer entsprechend ihres Miteigentumsanteils. Das FA berücksichtigte die Vorsteuer. Streitig war nur die Höhe der Bemessungsgrundlage für die private Nutzung. Das FG wies die Klage ab, weil die Klägerin die Zuordnung nicht rechtzeitig – bereits in ihrer Voranmeldung – erklärt habe (Niedersächsisches FG, Urteil vom 13.08.2009, 16 K 462/07, Haufe-Index 2255848, EFG 2010, 284).
Entscheidung
Über die zwischen den Beteiligten streitige Frage war nicht zu entscheiden, denn die Revision hatte aus den genannten Gründen keinen Erfolg: Der zu Unrecht vom FA gewährte Vorsteuerabzug überstieg den Betrag, den die Klägerin bei Erfolg ihrer Rechtsansicht zum Thema Bemessungsgrundlage beansprucht hatte.
Hinweis
1. Bei einer aus zwei Personen bestehenden Gemeinschaft, die selbst keine Rechtspersönlichkeit besitzt und keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind Leistungsempfänger bei Leistungsbezügen "für die Gemeinschaft" die Gemeinschafter. Daher kann – wenn z.B. alle den erworbenen Gegenstand für ihre jeweiligen unternehmerischen Zwecke nutzen – jeder den seiner Beteiligung entsprechenden Vorsteueranteil geltend machen.
2.Für den Fall, dass nur einer der Gemeinschafter das Gebäude für seine unternehmerischen Zwecke nutzt und seinen Miteigentumsanteil ganz seinem Unternehmen zuordnet, hat der EuGH im Urteil vom 21.04.2005, C-25/03 "HE" (BFH/NV Beilage 2005, 196, BFH/PR 2005, 295) zugunsten der Steuerpflichtigen überraschend entschieden: Die Nutzung für seine unternehmerischen Zwecke zeige, dass er über diese Räume faktisch wie ein Eigentümer verfüge. Damit liegen die Voraussetzungen für die Beurteilung als Lieferung (Verschaffung der Verfügungsmacht) vor. D.h.: Der (auch) für unternehmerische Zwecke genutzte Grundstücksteil (rechtzeitige Zuordnung unterstellt) wird schon bei der Anschaffung oder Herstellung nur an den unternehmerisch tätigen Gemeinschafter geliefert. Ihm steht das Recht auf den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung oder Herstellung für den von ihm für unternehmerische Zwecke verwendeten Teil des Gegenstands in vollem Umfang zu, "sofern der Abzugsbetrag nicht über den Miteigentumsanteil des Steuerpflichtigen an dem Gegenstand hinausgeht". Also z.B. Miteigentumsanteil 50 %, unternehmerische Nutzung durch den Miteigentümer 60 %, Vorsteuerabzug aufgrund der "Lieferung" an ihn (nur) 50 %.
3. Ob eine Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit vorliegt, richtet sich umsatzsteuerrechtlich nicht nach den Vorschriften des nationalen Zivilrechts. Allein entscheidend ist, ob dem Mieter vom Vermieter eines Grundstücks auf eine bestimmte Zeit gegen Entgelt das Recht eingeräumt wird, dieses Grundstück in Besitz zu nehmen und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen. Ist umsatzsteuerrechtlich nach den zuvor unter 2. genannten Kriterien dem Unternehmer-Miteigentümer das Gebäude unmittelbar "geliefert" worden, scheidet umsatzsteuerrechtlich auch die Annahme einer Nutzungsüberlassung dieser Räumlichkeiten an ihn durch den anderen Miteigentümer aus.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 07.07.2011 – V R 41/09