Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Beim Handeln mit Freizeitkleidung im Niedrigpreissegment reicht die bloße Angabe einer Gattung (z. B. Hose, Bluse) auf der Rechnung nicht aus. Erforderlich sind Angaben, die eine Identifizierung der Waren ermöglichen.
Sachverhalt
Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung hat das Finanzamt dem Kläger den Vorsteuerabzug aus der Lieferung von Textilien versagt. Die Rechnungen enthalten zur Bezeichnung des jeweiligen Liefergegenstands allgemeine Angaben wie z. B. T-Shirt, Bluse, Tops, Kleid, Hosen. Teilweise werden auch mehrfach dieselben Gegenstände bezeichnet und nur durch die Angabe einer unterschiedlichen Anzahl und eines unterschiedlichen Preises pro Stück ergänzt. So enthält z. B. die Rechnung vom 2.7.2010 - Rechnungs-Nr.: 0710/58 - die Lieferung von insgesamt 580 Kleidern, unterteilt in neun verschiedene Mengen zu jeweils unterschiedlichen Preisen zwischen 3,50 Euro und 10,00 Euro pro Stück. Das Finanzamt gelangte im Rahmen einer Prüfung zu der Überzeugung, dass den Rechnungen kein tatsächlicher Leistungsaustausch zugrunde liegt und der Vorsteuerabzug deshalb zu versagen sei. In der Einspruchsentscheidung führte es dann zur Begründung aus, der Vorsteuerabzug scheitere bereits an der nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG erforderlichen ordnungsgemäßen Leistungsbeschreibung, da die in den Rechnungen enthaltenen pauschalen Bezeichnungen hierfür nicht ausreichten.
Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Gerichts hat das Finanzamt den Vorsteuerabzug zu Recht versagt, weil diese Rechnungen mangels hinreichender Leistungsbeschreibung den Anforderungen des UStG nicht genügen. Für den Bereich des Handels mit Kleidungsstücken, speziell mit Freizeitbekleidung im Niedrigpreissegment, habe die bisherige finanzgerichtliche Rechtsprechung bereits entschieden, dass die bloße Angabe einer Gattung (z. B. Hose, Bluse) insoweit nicht genügt. Notwendig ist vielmehr eine Beschaffenheitsbeschreibung dergestalt, dass die zu einer Identifizierung notwendigen und erforderlichen Merkmale beschrieben werden. Eine solche weitergehende Beschreibung der Ware kann beispielweise über die Herstellerangaben bzw. die Angabe einer etwaigen Eigenmarke oder über Modelltyp, Farbe und Größe sowie durch Bezugnahme auf eine Artikel- oder Chargennummer erfolgen. In Betracht kommt auch die Benennung von Größe, Farbe, Material, gegebenenfalls Sommer- oder Winterware, Schnittform, z. B. langer oder kurzer Arm, lange oder kurze Hose, Jogginghose etc.
Hinweis
Ähnlich hat das Hessische Finanzgericht bereits in der Vergangenheit entschieden (vgl. Hessisches FG, Urteil v. 12.10.2017, 1 K 2402/14). Das FG stellt unter anderem darauf ab, dass es dem Finanzamt möglich sein müsse, mit begrenztem Aufwand festzustellen, welche Waren geliefert wurden, um einem gerade im Handel mit Niedrigpreiswaren eventuell häufiger (?) anzutreffenden Umsatzsteuerbetrug entgegenzuwirken. Auch im hier besprochenen Fall lagen offenbar keine sonstigen Belege wie Bestellunterlagen, Lieferscheine oder Korrespondenzen der Lieferanten vor.
Der BFH hält es allerdings für ernstlich zweifelhaft, ob der Vorsteuerabzug aus Rechnungen im Niedrigpreissegment hinsichtlich der Leistungsbeschreibung voraussetzt, dass die Art der gelieferten Gegenstände mit ihrer handelsüblichen Bezeichnung angegeben werden (BFH, Beschluss v. 14.3.2019, V B 3/19 sowie BFH, Beschluss v. 16.5.2019, XI B 13/19). Die beantragte AdV wurde deshalb gewährt. Es spricht derzeit Einiges dafür, dass der BFH auch in den zwischenzeitlich anhängigen Revisionsverfahren (u. a. Az beim BFH XI R 28/18 und Az beim BFH XI R 27/18) eine weniger strenge Auslegung der Anforderung an die Leistungsbeschreibung an den Tag legen wird, sodass vergleichbare Rechtsbehelfe letzten Endes durchaus erfolgreich sein könnten. Außerdem hat auch der EuGH in den letzten Jahren eine Tendenz erkennen lassen, dass er bereit ist, außerhalb von Fällen der Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung die Anforderungen an Rechnungen für den Vorsteuerabzug großzügiger zu verstehen und auch ergänzende Informationen, selbst wenn diese nicht im Beleg referenziert sind, zu akzeptieren (vgl. hierzu Prätzler, jurisPR-SteuerR 24/2019, Anm. 6).
Link zur Entscheidung
Hessisches FG, Urteil v. 19.06.2018, 1 K 1828/17