Kommentar
Bei dem Verfahren ging es um die Ermittlung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs (Art. 19 der 6. EG-Richtlinie) bei Holding-Gesellschaften. Streitig war, ob Dividenden, die eine Holding-Gesellschaft aus dem Besitz ihrer Gesellschaftsanteile erzielt, in den Nenner des Pro-rata-Satzes, der die Gesamtsumme der Umsätze enthält, einzubeziehen sind oder nicht. Diese Frage stellte sich auch für Darlehenszinsen, die die Holding-Gesellschaft von ihren Tochtergesellschaften dadurch erzielt, dass sie ihnen die Dividendenerträge als Darlehen überläßt. Der EuGH hatte außerdem zu klären, ob es in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist, dass die Holding-Gesellschaft neben ihrer Aufgabe, Beteiligungen zu halten, umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Tätigkeiten für ihre Tochtergesellschaften ausübt.
Der EuGH hat entschieden dass die Dividenden im Nenner des Pro-rata-Satzes unberücksichtigt bleiben müssen. Das gilt auch für die Zinsen, wenn die Darlehen keine unternehmerische Tätigkeit im Sinne des Artikels 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie darstellen.
Mit diesem Urteil scheint der EuGH eine Wende seiner bisherigen Rechtsprechung vollzogen zu haben. In seinem Urteil v. 20.6.1991, C-60/90 (Polysar Investments Netherlands) hatte er entschieden, dass eine Holding-Gesellschaft, die keine anderen Tätigkeiten ausübt als die, die mit dem Besitz von Anteilen an Tochtergesellschaften zusammenhängen, nicht als Unternehmer angesehen werden kann und als solcher kein Recht auf Vorsteuerabzug hat. Eine unternehmerische Tätigkeit liege nicht vor, wenn lediglich Gesellschaftsanteile erworben und gehalten werden. Etwas anderes gelte, wenn die Beteiligung unbeschadet der Rechte, die der Beteiligungsgesellschaft in ihrer Eigenschaft als Aktionärin oder Gesellschafterin zustehen, mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaften einher gehe, an denen die Beteiligung besteht. In ähnlicher Weise hatte er sich in seinem Urteil v. 6.2.1997, C-80/95 (Harnas & Helm) geäußert. Die in Artikel 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-Richtlinie genannten Umsätze (dazu gehören auch Beteiligungsumsätze aus Aktien, Anteilen an Gesellschaften, Schuldverschreibungen oder sonstigen Wertpapieren) fielen in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, wenn sie im Rahmen des gewerbsmäßigen Wertpapierhandels oder zum Zweck des unmittelbaren oder mittelbaren Eingreifens in die Verwaltung der Gesellschaften erfolgten, an denen eine Beteiligung besteht, oder wenn sie eine unmittelbare, dauerhafte oder notwendige Erweiterung einer steuerbaren Tätigkeit darstellten.
Zwar wiederholt der EuGH diesen Grundsatz in seiner jetzigen Entscheidung, um jedoch dann kategorisch festzustellen, dass Dividenden kein Entgelt für eine wirtschaftliche Tätigkeit seien und dass sie daher nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fielen und somit auch außerhalb des Systems des Vorsteuerabzugs lägen. Er begründet dies damit, dass Dividenden von ausschüttungsfähigen Gewinnen, von der Ertragsbilanz der Gesellschaft sowie ferner von der Art der Beteiligung abhängig seien. Insofern könne eine Dividende nicht als Gegenleistung für eine anders geartete Dienstleistung (dem hier streitigen Eingreifen in die Beteiligungsgesellschaften) angesehen werden. Dieses Ergebnis überrascht, konnte man doch nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH davon ausgehen, dass er einen Unterschied zwischen Holding-Gesellschaften macht, die in die Verwaltung ihrer Beteiligungsgesellschaften eingreifen und denjenigen, die dies nicht tun. Immerhin könnte ja auch der Fall gegeben sein, dass eine Holding-Gesellschaft sich wegen ihrer Tätigkeit für die Tochtergesellschaften eine höhere Dividende gutschreiben lässt, als sie vergleichbaren Aktionären zufließt, die lediglich ihre Kapitalanlage halten. Mit dieser Frage scheint der EuGH sich nicht beschäftigt zu haben. In einem solchen Fall könnte durchaus ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Dienstleistung (Verwaltung) und Gegenleistung (Dividende) konstruiert werden, den der EuGH jetzt dogmatisch ablehnt.
Die Zinserträge, die die Holding-Gesellschaft aus den an ihre Tochtergesellschaften gewährten Dividendendarlehen erzielt, fallen nach der Entscheidung ebenfalls grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer. Die Darlehensumsätze sind nur dann unternehmerische Tätigkeiten, wenn sie als wirtschaftliche Tätigkeiten unter Artikel 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie fallen oder die unmittelbare, dauerhafte oder notwendige Erweiterung einer bereits bestehenden unternehmerischen Tätigkeit darstellen. Nach dem Urteil fallen die Zinserträge einer Holding-Gesellschaften aus Dividendendarlehen nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, wenn dies bereits für die Darlehen nicht der Fall ist. Die Kapitalüberlassung sei nur dann eine unternehmerische Tätigkeit, wenn sie nicht nur gelegentlich erfolge und sich nicht wie die eines privaten Anlegers auf die Verwaltung von Anlagen beschränke. Weiter geht der EuGH in ...