Sachverhalt
Bei dem bulgarischen Verfahren ging es um die Versagung des Vorsteuerabzugs wegen nicht nachgewiesener Eingangsumsätze (Weizenlieferungen, die in einer Kette von Lieferungen erbracht wurden), die die Klägerin von den Unternehmern A und B bezogen hatte. Die bulgarische Finanzbehörde hatte den Vorsteuerabzug deshalb versagt, weil nach ihren Feststellungen bereits die Vorlieferer von A und B keine Lieferungen an A und B bewirkt hätten. Die Behörde war daher zu dem Schluss gelangt, dass die Lieferer A und B nicht über entsprechende Warenmengen verfügt hätten, die sie der Klägerin hätten verkaufen können. Die Behörde hatte nicht bestritten, dass die Klägerin nachfolgende Lieferungen einer Ware derselben Art und in derselben Menge bewirkte, und hatte nicht geltend gemacht, dass die Klägerin die Ware von anderen Lieferern erhalten habe. Die Finanzbehörde hatte den Vorsteuerabzug wegen der Erwägung versagt, dass, weil die Lieferer der Klägerin die Herkunft der verkauften Ware nicht belegt hätten, ein Fall des "Fehlens einer tatsächlichen Lieferung" vorliege, was letztlich eine Nichterfüllung der Formalitäten darstelle, die Bulgarien für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug vorgeschrieben habe.
Die Klägerin machte geltend, dass sie die Waren tatsächlich von ihren Lieferern erhalten habe und dass die Beziehungen zwischen ihren Lieferern und deren Vorlieferern nicht zwangsläufig ihr Recht auf Vorsteuerabzug berührten. Nach Ansicht der Finanzbehörde liege hinsichtlich der Vorlieferungen eine Steuerhinterziehung vor; diese berühre aber nicht zwangsläufig die Lieferung zwischen ihr und ihren Lieferern.
Nach dem Vortrag des Vorlagegerichts zu den Bestimmungen des bulgarischen MwStG kann der Umstand, dass der unmittelbare Lieferer keine Beweise dafür vorlegt, dass er über Investitionsgüter, qualifiziertes Personal und Geschäftsräume für die betreffende Art von Waren verfügt, entgegen der Auffassung der Finanzbehörde nicht das Fehlen einer tatsächlichen Lieferung begründen. Dasselbe gilt, wenn der Vorlieferer keine Beweise für die Beförderung der Waren an seinen Empfänger, für das Vorhandensein von Geschäftsräumen und das beschäftigte Personal vorlegt. Da in der vorliegenden Rechtssache Beweise dafür vorlägen, anhand derer sich die feststellen lasse, dass die fraglichen Lieferungen an die Klägerin tatsächlich erbracht worden seien, könne das Fehlen von Beweisen für Existenz der Vorlieferungen nicht zu dem Schluss führen, dass auch die Lieferungen an die Klägerin nicht bewirkt wurden.
Entscheidung
Der EuGH hat in der Sache eine Entscheidung getroffen, obwohl sich das Vorabentscheidungsersuchen nahe an der Unzulässigkeit befand. Es ging in dem Verfahren im Wesentlichen um Fragen der Beweiswürdigung, die seitens des EuGH nicht beantwortet werden, da sie Sache der nationalen Gerichte sind. Das vorlegende Gericht interpretierte die vorliegenden Fragen der Beweiswürdigung allerdings als "Formalitäten", wie sie in - obwohl hier nicht anwendbar - Art. 178 Buchst. b MwStSystRL genannt sind, und fragte auf diesem Weg nach der Berechtigung der von den bulgarischen Steuerbehörden vorgenommenen Beweiswürdigung.
Der EuGH verweist zunächst auf seine ständige Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug. Danach setzt das Recht auf Vorsteuerabzug voraus, dass der Betreffende ein Unternehmer im Sinne der MwStSystRL ist, dass die bezogenen Leistungen vom Unternehmer auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden und dass die bezogenen Leistungen auf einer vorhergehenden Umsatzstufe von einem anderen Unternehmer erbracht wurden.
Im vorliegenden Verfahren war entscheidungserheblich, ob die Eingangslieferungen tatsächlich an die Klägerin erbracht worden waren. Der EuGH weist darauf hin, dass er im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV nicht befugt ist, den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zu überprüfen oder zu würdigen. Dies ist Sache des nationalen Gerichts. Er führt aber aus, dass bei gegebenen Eingangsumsätzen der Klägerin der Vorsteuerabzug grundsätzlich nicht verweigert werden kann, es sei denn, der Vorsteuerabzug wäre von der Klägerin in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht worden. Diesbezüglich verweist der EuGH ebenfalls auf seine ständige Rechtsprechung. Danach kann dem Unternehmer - bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen - der Vorsteuerabzug nur dann versagt werden, dass aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Unternehmer, an den die vorsteuerbelasteten Eingangsleistungen erbracht werden, wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit dem Bezug der Leistungen an einem Umsatz beteiligte, der in eine vom Unternehmer, der die Eingangsleistungen erbringt, oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Liefer- oder Leistungskette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war. Die objektiven Umstände muss die Finanzbehörde rechtlich hinreichend nachweisen, d.h. die Beweislast für die Versagung des ...