Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Vorsteuern aus Bauleistungen kann eine Grundstücksgemeinschaft auch dann abziehen, wenn nur ein Gemeinschafter nach außen hin aufgetreten und daher alleiniger Rechnungsempfänger ist.
Sachverhalt
Aus einer aus mehreren Beteiligten bestehenden Erbengemeinschaft war nach Erbauseinandersetzung die Grundstücksgemeinschaft der Eheleute A und B hervorgegangen. Diese ist Eigentümerin eines unter Denkmalschutz stehenden, barocken Wohn- und Geschäftshauses aus dem 18. Jahrhundert, das umfangreich modernisiert und in Stand gesetzt wurde. Nach erfolgter Vermietung verzichtete die Grundstücksgemeinschaft rückwirkend auf die Steuerfreiheit für ihre Vermietungsumsätze und machte erhebliche Vorsteuerbeträge nach § 15a UStG geltend. Das Finanzamt erkannte diese nicht an, weil die Grundstücksgemeinschaft nicht als Leistungsempfängerin anzusehen sei. Die Auftragsvergabe sei durch den beauftragten Architekten im Namen des A erfolgt, wie sich aus den Bauverträgen und den Rechnungen ergebe. Auch sei A gegenüber den Bauunternehmern nicht erkennbar als Vertreter der Grundstücksgemeinschaft aufgetreten.
Entscheidung
Die Klage der Grundstücksgemeinschaft hatte Erfolg. Aus dem EuGH-Urteil "HE" vom 21.4.2005 (Az. C-25/03) ergibt sich im Umkehrschluss, dass eine Grundstücksgemeinschaft auch dann zum Vorsteuerabzug aus Bauleistungen berechtigt sein kann, wenn nur ein Gemeinschafter nach außen hin als Bauherr aufgetreten und daher auch alleiniger Rechnungsempfänger ist. Dies setzt voraus, dass sich aus den Gesamtumständen zweifelsfrei ergibt, dass Leistungsempfänger tatsächlich die Grundstücksgemeinschaft sein sollte. Außerdem dürfen die Grundstückseigentümer nicht einzeln unternehmerisch tätig geworden und daher in eigener Person nicht vorsteuerabzugsberechtigt sein. Der Vorsteuerabzug scheitert auch nicht daran, dass die streitigen Rechnungen nicht Bezug auf die Grundstücksgemeinschaft nehmen. Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, dass im Streitfall keinerlei Gefahr bestand, dass es zu Steuerhinterziehungen oder Missbräuchen kommen könnte.
Hinweis
Das Finanzgericht verweist zutreffend auf eine EuGH-Rechtsprechung, nach der der umgekehrte Fall (Beauftragung durch Ehegattengemeinschaft, die selbst kein Unternehmer ist, und Vorsteuerabzugsrecht für die einzelnen Ehegatten) bereits zu Gunsten der Steuerpflichtigen entschieden wurde. Diese EuGH-Rechtsprechung wird von der Finanzverwaltung grundsätzlich anerkannt (vgl. BMF, Schreiben v. 1.12.2006, BStBl 2007 I S. 90 und Abschn. 192 Abs. 16, 20 und 21 UStR 2008). Es wird in der Praxis entscheidend darauf ankommen, ob auf Grund der vorliegenden Rechnungen ein Steuermissbrauch (doppelter Vorsteuerabzug) möglich ist, oder ob dieser nach den jeweiligen Gegebenheiten faktisch ausgeschlossen werden kann. Stellt sich der Sachverhalt so dar, dass die Leistungen auf Grund der Rechnungen eindeutig einem bestimmten Objekt zugeordnet werden können und ist dessen Eigentümer eine Gemeinschaft, deren Mitglieder selbst gar nicht unternehmerisch tätig werden, kann ein Missbrauch grundsätzlich verneint werden. In diesem Fall muss auch eine nicht korrekte Rechnungsstellung (z.B. an einzelne Gemeinschafter statt an die Gemeinschaft) unschädlich sein, weil die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nicht überspannen dürfen. Es ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.d.R. nicht vereinbar, einer steuerpflichtigen Gemeinschaft das Vorsteuerabzugsrecht nur deshalb zu verweigern, weil die Rechnungen nicht die vom anwendbaren nationalen Recht vorgeschriebenen Angaben enthalten. Aktuell ergeben sich die Rechnungsanforderungen aus Artikel 226 MwStSystRL. Die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten erlassen dürfen, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehungen zu verhindern, dürfen jedoch nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist. Sie dürfen deshalb nicht so eingesetzt werden, dass sie die Neutralität der Mehrwertsteuer in Frage stellen. Die Missachtung der Steuerneutralität gilt es in Einzelfällen gerichtlich nachzuweisen.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.12.2007, 5 K 1821/05 C