Leitsatz
Eine Vorsteuerberichtigung für einmalig nutzbare Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens ist bereits im Veranlagungszeitraum 2003 möglich.
Normenkette
§ 15a Abs. 1 UStG 1999, Art. 20 Abs. 1 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb. Er optierte ab 2003 zur Regelbesteuerung. Der Übergang von der Besteuerung nach Durchschnittssätzen zur Regelbesteuerung stellt eine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a UStG dar und löst grundsätzlich eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus.
Im Rahmen einer Außenprüfung machte der Kläger Vorsteuerberichtigungen geltend, die sich auf Wirtschaftsgüter beziehen, die der Kläger in 2002 erworben hatte und der einmaligen Ausführung von Umsätzen dienen (Saatgut, Dünger).
Das FA versagte die Vorsteuerberichtigung mit dem Hinweis auf die fehlende Rechtsgrundlage. Die geänderte Gesetzesfassung sei erstmalig für nach dem 31.12.2004 angeschaffte Wirtschaftsgüter anwendbar.
Entscheidung
Das FG hat der Klage stattgegeben.
Nach Auffassung des Senats kann ein Steuerpflichtiger -- unter direkter Berufung auf die 6. EG-RL -- auch die Vorsteuern aus den im Veranlagungszeitraum 2002 erworbenen, nach Übergang zur Regelbesteuerung im Veranlagungszeitraum 2003 einmalig verwendeten Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens im Weg der Vorsteuerberichtigung beanspruchen. Vorliegend würde der Kläger ansonsten trotz unternehmerischer Verwendung der Eingangsleistungen mit der USt belastet bleiben, weil er die mit dem Verkauf seiner Ernte erzielten Erlöse zu versteuern hätte, die beim Bezug von Dünger und Saatgut gezahlte Vorsteuer jedoch nicht abziehen könnte.
Hinweis
1. Aus dem Regelungszusammenhang des § 15a UStG in der für das Streitjahr 2003 geltenden Fassung ergibt sich, dass das Wirtschaftsgut nicht nur einmalig, sondern dauerhaft genutzt werden muss.
Folglich kommt eine Vorsteuerberichtigung nur bei Anlagevermögen in Betracht.
2.§ 15a Abs. 2 UStG i.d.F. des EURUmstG vom 09.12.2004 lässt zwar eine Vorsteuerberichtigung zu, wenn sich bei einem Wirtschaftsgut, das nur einmalig zur Ausführung eines Umsatzes verwendet wird, die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse ändern. Diese Regelung ist gem. § 27 Abs. 11 UStG jedoch nur auf Vorsteuerbeträge anzuwenden, deren zugrunde liegende Umsätze nach dem 31.12.2004 ausgeführt sind.
3. Setzt der nationale Gesetzgeber Bestimmungen einer RL nicht fristgerecht um, kann sich der Steuerpflichtige unmittelbar auf eine für ihn günstigeren Regelung in der 6. EG-RL (jetzt: MwStSystRL) berufen.
4. Art. 20 Abs. 1 der 6. EG-RL enthält keine Beschränkung auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Nach Auffassung des Senats ergibt sich eine solche Einschränkung weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik der vorgenannten Richtlinienbestimmung.
5. Ggf. muss sich nicht nur der BFH, sondern auch noch der EuGH mit dem Streitfall beschäftigen. In geeigneten Fällen sollten Sie Einspruch einlegen, da bei einer langen Verfahrensdauer eine Vorbehaltsfestsetzung der USt möglicherweise nicht ausreicht, weil diese Nebenbestimmung den Eintritt der Festsetzungsverjährung nicht verhindert.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 22.10.2007, 16 K 226/07 -- Rev. V R 85/07