Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Das Umsatzsteuergesetz sieht eine Vorsteuerberichtigung für Umlaufvermögen erst "ab 2005" vor. Unternehmer können sich jedoch für frühere Veranlagungszeiträume auf günstigeres Gemeinschaftsrecht berufen.
Sachverhalt
Gestritten wurde um die Frage, ob eine Vorsteuerberichtigung für einmalig nutzbare Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens im Veranlagungszeitraum 2003 möglich ist. Der Kläger hatte einen landwirtschaftlichen Betrieb und optierte ab 2003 zur Regelbesteuerung. In seiner Umsatzsteuerklärung für 2003 machte er Vorsteuerberichtigungen zu seinen Gunsten nach § 15a UStG geltend. Diese bezogen sich u. a. auf Saatgut und Dünger, die er in 2002 erworben hatte. Obwohl der Übergang von der so genannten Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung eine Änderung der Verhältnisse i. S. von § 15a UStG darstellt, verweigerte das Finanzamt insoweit die Vorsteuerberichtigung zu Gunsten des Unternehmers. Die Rechtsgrundlage für eine Vorsteuerberichtigung bei Wirtschaftsgütern, die der einmaligen Ausführung von Umsätzen dienen (hier: Saatgut und Dünger), sei erst mit dem "Richtlinienumsetzungsgesetz" zum 1.1.2005 geschaffen worden.
Entscheidung
Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs war nach Ansicht des Finanzgerichts zulässig. Sie findet zwar keine Rechtsgrundlage im nationalen Umsatzsteuergesetz; indessen kann sich der Steuerpflichtige auf eine für ihn günstigere Regelung in der 6. EG-Richtlinie berufen. Nach Artikel 20 Abs. 1a der 6. EG-Richtlinie ist eine Vorsteuerberichtigung insbesondere dann vorzunehmen, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige zunächst berechtigt war. Diese Regelung enthält keine Beschränkung auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Schon aus Gründen der Belastungsneutralität der Umsatzsteuer müsse die Vorsteuerberichtigung möglich sein.
Hinweis
Das Finanzgericht verweist m. E. zu Recht auf den Neutralitätsgedanken der Umsatzsteuer. Würde man für den Streitfall die Möglichkeit der Vorsteuerberichtigung verneinen, hätte der Landwirt (bei Anschaffung des Saatguts/Düngers im Jahr 2002) keinen Vorsteuerabzug gehabt, musste aber dennoch die daraus resultierenden Umsätze aus dem Verkauf der Ernte in 2003 nach zwischenzeitlichem Wechsel zur Regelbesteuerung der Umsatzsteuer unterwerfen. Die Eingangsleistungen waren eindeutig für unternehmerische Zwecke bestimmt und führten ebenfalls unstreitig zu umsatzsteuerpflichtigen Ausgangsleistungen. Ein Vorsteuerabzug muss deshalb bereits dem Grunde nach möglich sein. Nicht zuletzt sollte diese Entscheidung zum Anlass für eine Prüfung genommen werden, ob bereits vor 2005 Vorsteuerberichtigungen zu Gunsten des Steuerpflichtigen bei "Umlaufvermögen" in Betracht kommen.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 22.10.2007, 16 K 226/07