Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Die Finanzverwaltung hat bei unzureichenden Angaben in einem Vorsteuervergütungsantrag die fehlenden Informationen den ihr vorliegenden Rechnungen zu entnehmen.
Sachverhalt
Die Klägerin ist ein in der Tschechischen Republik ansässiges Unternehmen und handelt mit landwirtschaftlichen Produkten. Sie hat am 1.3.2021 über das elektronische Portal einen Antrag auf Vorsteuervergütung in Höhe von 448,20 EUR für den Zeitraum Januar bis Dezember 2020 gestellt. Gegenstand dieses Antrags waren insgesamt 8 Rechnungen eines inländischen Unternehmens, in denen über landwirtschaftliche Erzeugnisse im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG unter Ausweis eines Steuersatzes von 10,7 % abgerechnet wurde. In sämtlichen dem Antrag beigefügten Rechnungen waren die inländische Steuernummer sowie die USt-IdNr. des Rechnungsausstellers angegeben. Allerdings wurde keine von beiden Nummern in die Anlage zum Vergütungsantrag in das dafür vorgesehene Feld übernommen. Daraufhin gewährte das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die Vorsteuervergütung nur für die Vorsteuern aus den Kleinbetragsrechnungen. Da ein korrigierter bzw. erneuter Antrag über das tschechische Portal offenbar technisch nicht möglich war, landete der Fall vor Gericht.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH verlangt das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat. In solchen Fällen darf die Steuerverwaltung hinsichtlich des Rechts eines Steuerpflichtigen auf Ausübung des Vorsteuerabzugs keine zusätzlichen Voraussetzungen aufstellen, die die Ausübung des Rechts vereiteln könnten. Aus der zu diesem Themenkomplex ergangenen jüngeren Rechtsprechung – insbesondere des EuGH – ergibt sich, dass die Finanzverwaltung bei unzureichenden Angaben in einem Vorsteuervergütungsantrag die fehlenden Informationen den ihr vorliegenden Rechnungen zu entnehmen hat. Die in der Antragsanlage fehlenden USt-IdNrn. oder Steuernummern waren daher vom BZSt unter Einbeziehung der mit dem Antrag eingereichten Rechnungen, die diese Nummern unstreitig enthielten, zu ermitteln.
Letztlich lagen der Finanzverwaltung (jedenfalls unter ergänzender Einbeziehung der beigefügten Rechnungen) alle Informationen vor, um eine Entscheidung darüber treffen zu können, ob die materiellen Anforderungen für einen Vorsteuerabzug bzw. eine Mehrwertsteuererstattung gegeben sind. Durch die unterbliebene Angabe der USt-IdNrn. bzw. Steuernummern in der Antragsanlage wurde die Arbeit des BZSt auch nicht unzumutbar erschwert. Die jeweiligen Rechnungen waren unschwer und sicher anhand der in der Anlage angegebenen Rechnungsnummern, des jeweiligen Rechnungsdatums und der genannten Umsatzsteuerbeträge zu identifizieren und den Angaben in der Antragsanlage zuzuordnen.
Hinweis
Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Entscheidungen, die einen Vorsteuerabzug bzw. eine Vorsteuervergütung bejahen, wenn der Vergütungsantrag "gewisse formale Mängel" enthält – vorausgesetzt, die materiellen Anforderungen für den Vorsteuerabzug liegen unstreitig vor, was sich regelmäßig aus den beizufügenden Rechnungen ergibt. Das BZSt täte gut daran, seine oft sehr restriktive Auffassung aufzugeben bzw. praxisfreundlicher zu gestalten. Vorliegend hat es sich jedoch (wieder einmal) mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen die FG-Entscheidung gewandt, Az beim BFH XI B 34/22.
Hinweis: In der Praxis ist natürlich darauf zu achten, dass Anträge auf Vorsteuervergütung peinlichst genau ausgefüllt werden und möglichst allen formalen Anforderungen genügen. Dennoch: Liegen dem BZSt aufgrund der eingereichten Unterlagen (insbesondere unter Einbeziehung der vorgelegten Rechnungen) sämtliche Informationen vor, die in den Anlagen abgefragt werden, ist der Vorsteuervergütungsantrag auch bei formalen Mängeln nicht abzulehnen.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Urteil v. 16.03.2022, 2 K 2086/21