Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Sind die Originalrechnungen abhanden gekommen, reicht die Vorlage einfacher Kopien nicht aus. Zumindest sind Zweitschriften der Rechnungen oder Bestätigungen des Rechnungsausstellers innerhalb der Antragsfrist einzureichen.
Sachverhalt
Die Klägerin ist in einem Drittland (USA) ansässig. Sie hatte ihrem Vorsteuervergütungsantrag für den Zeitraum Januar bis Juni 2007 innerhalb der Antragsfrist lediglich Rechnungskopien und keine Originalrechnungen beigefügt. Im Laufe des Einspruchsverfahrens legte sie Bestätigungen der Rechnungsaussteller vor, wonach die streitigen Rechnungen tatsächlich vom Rechnungsaussteller stammten. Dieser Bestätigung waren die Rechnungen in Kopie mit dem Stempel "Copy" beigefügt. Außerdem reichte die Klägerin eine Bestätigung des Rechnungsausstellers ein, wonach die streitigen Rechnungen Originale gewesen seien und daraufhin Zahlungen erfolgt seien. Dennoch wurde eine Erstattung der ausgewiesenen Umsatzsteuer im Rahmen des Vorsteuervergütungsverfahrens abgelehnt.
Entscheidung
Die dagegen erhobene Klage hat das FG Köln als unbegründet zurückgewiesen. Weil die Klägerin innerhalb der Vergütungsfrist die streitigen Rechnungen nicht im Original vorgelegt hat, habe sie keinen Anspruch auf Vorsteuervergütung. Aus dem Zusammenhang von § 18 Abs. 9 Satz 3 und 4 UStG alte Fassung ergibt sich nach der Auffassung des FG, dass die Originalrechnungen mit dem Antrag innerhalb der Antragsfrist einzureichen sind. Der Klägerin sei zwar insoweit zuzustimmen, als einem Steuerpflichtigen, dem die Vorlage der Originalrechnungen unmöglich geworden ist, unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zu gewähren ist, auf andere Weise die Vorsteuervergütung zu erlangen. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall allerdings nicht erfüllt. So ist das FG der Auffassung, dass für den Fall des Abhandenkommens der Originalrechnungen - vor Einreichung des Vorsteuervergütungsantrags - jedenfalls Zweitschriften der Rechnungen oder Bestätigungen des Rechnungsausstellers zu den Rechnungskopien innerhalb der Antragsfrist einzureichen sind. Nur diese stellten im Rahmen der einschränkenden Auslegung des § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG a. F. einen "adäquaten Ersatz" für die Originalrechnung dar. Einfach Fotokopien reichten insoweit nicht aus. Dem stehe auch nicht entgegen, dass ein inländischer Steuerpflichtiger im allgemeinen Besteuerungsverfahren den Nachweis des Besitzes einer Originalrechnung nicht nur durch Vorlage derselben, sondern mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Beweismitteln - also auch durch einfache Fotokopien - führen kann. Insoweit bestehe für den im Drittland ansässigen Antragsteller kein Gleichbehandlungsgebot.
Hinweis
Im Streitfall waren die Rechnungen offenbar auf dem Weg zwischen USA und Europa bei der Korrespondenz mit dem Berater verloren gegangen. Selbst unter Berücksichtigung auf die EuGH- und BFH-Rechtsprechung, wonach bei Verlust der Originalrechnungen andere Nachweise zulässig sind, wenn der Unternehmer den Verlust nicht zu vertreten hat, wollte das Gericht nicht anders entscheiden. Auch ergäbe sich aus dem BFH, Urteil v. 19.11.1998, V R 102/96, wonach es nicht auf die Umstände des Verlustes der Originalrechnung ankommt, nicht, dass die Vorlage einer Rechnungsfotokopie ausreicht.
Der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer rechtfertigt nach Ansicht des FG ebenfalls keine andere Entscheidung. Dieser Grundsatz sei nämlich nicht der einzige Grundsatz des gemeinschaftsrechtlichen Umsatzsteuerrechts; so bestehe ein weiterer tragender Grundsatz in der Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfe sich die Waagschale in jedem Fall nicht so stark auf der Seite des einen Ziels senken und damit das Erreichen des anderen gefährden. Deshalb sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen den beiden Zielen gewahrt, wenn bei Verlust der Originalrechnung eine Zweitschrift als Ersatz vorgelegt werden kann.
Die Entscheidung ist sehr formalistisch und dürfte den praktischen Gegebenheiten wenig Rechnung tragen. Deshalb ist es bedauerlich, dass die zugelassene Revision nicht eingelegt wurde. Eine Vorlage an den EuGH durch das FG wäre wohl die bessere Entscheidung gewesen. Für das aktuelle Recht ist zu beachten, dass die Vorlage von Originalrechungen nicht mehr für innerhalb der EU ansässige Unternehmen erforderlich ist (vgl. § 61 Abs. 2 UStDV). Für im Drittland ansässige Unternehmen bleibt es gleichwohl dabei, dass die Vergütung binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist, zu beantragen ist und dass die Vorsteuerbeträge durch Vorlage von Rechnungen und Einfuhrbelegen im Original nachzuweisen sind (vgl. § 61a Abs. 2 Satz 3 UStDV).
Link zur Entscheidung
FG Köln, Urteil vom 21.06.2012, 2 K 1218/10