Dipl.-Finanzwirt Helmut Bur
Steuerrechtlich ist nicht auf die zivilrechtliche Beurteilung abzustellen. Maßgebend ist allein die Frage, ob beim Vermögensempfänger Anschaffungskosten entstehen, d. h., ob er eigene Aufwendungen tätigt, um das übertragene Vermögen zu erlangen. Danach kann die Übertragung von Vermögen in vorweggenommener Erbfolge unabhängig davon, ob der Übergabevertrag zivilrechtlich als gemischte Schenkung oder als Schenkung unter Auflage zu werten ist, steuerrechtlich entweder eine voll unentgeltliche Übertragung oder eine teilentgeltliche Veräußerung durch den Übergeber und eine teilentgeltliche Anschaffung durch den Übernehmer sein.
Im Einzelnen ist nach den folgenden Fällen zu unterscheiden:
2.2.1 Abgrenzung zu voll entgeltlichen Geschäften
Im Gegensatz zum Vermögensübergang durch vorweggenommene Erbfolge ist ein Vermögensübergang durch voll entgeltliches Veräußerungsgeschäft anzunehmen, wenn die Werte der Leistung und Gegenleistung wie unter Fremden nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen sind. Trotz objektiver Ungleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung kann ein Veräußerungs-/Erwerbsgeschäft vorliegen, wenn die Beteiligten subjektiv von der Gleichwertigkeit ausgegangen sind.
Bei Vermögensübertragungen auf Kinder besteht eine nur in Ausnahmefällen zu widerlegende Vermutung dafür, dass die Übertragung aus familiären Gründen, nicht aber im Wege eines Veräußerungsgeschäfts unter kaufmännischer Abwägung von Leistung und Gegenleistung erfolgt.
2.2.2 Voll unentgeltliche Übertragung
Wenn ein Gebäude ohne Gegenleistung verschenkt wird, liegt ein unentgeltlicher Erwerb vor. Daran ändert sich grundsätzlich nichts, wenn der Beschenkte an den Schenker oder einen Dritten Versorgungsleistungen (Versorgungsrenten und dauernde Lasten erbringen muss.
Renten oder dauernde Lasten, die nicht nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen sind und daher nicht zu einem voll entgeltlichen Geschäft führen, sind Versorgungs- oder Unterhaltsleistungen. Wiederkehrende Versorgungs- oder Unterhaltsleistungen (in Geld oder Sachwerten) stellen weder Veräußerungsentgelt noch Anschaffungskosten dar.
Dasselbe gilt für den Vorbehalt oder die Einräumung von Nutzungsrechten an dem übertragenen Vermögen. Auch in diesen Fällen liegt insoweit kein entgeltlicher Erwerb vor. Der Übernehmer erwirbt auch nicht deshalb entgeltlich, weil er Teile des übernommenen Vermögens an Angehörige oder Dritte übertragen muss.
2.2.3 Teilentgeltliche Übertragung
Ein teilentgeltliches Veräußerungsgeschäft liegt vor, wenn und soweit
- der Übernehmer zur Zahlung eines bestimmten Geldbetrags an andere Angehörige des Übergebers oder an Dritte (sog. Gleichstellungsgeld) verpflichtet ist,
- der Übernehmer an den Übergeber eine einmalige Abstandszahlung zu leisten hat und/oder
- der Übernehmer private Schulden des Übergebers übernimmt.
Dies führt zu einem Veräußerungsentgelt des Übergebers und zu Anschaffungskosten des Übernehmers.
Wird ein Wirtschaftsgut teilentgeltlich übertragen, ist der Vorgang in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Dabei berechnen sich der entgeltlich und der unentgeltlich erworbene Teil des Wirtschaftsguts nach dem Verhältnis des Entgelts (ohne Anschaffungsnebenkosten) zu dem Verkehrswert des Wirtschaftsguts. Werden mehrere Wirtschaftsgüter teilentgeltlich übertragen, ist eine von den Vertragsparteien vorgenommene Zuordnung der Anschaffungskosten auf die einzelnen Wirtschaftsgüter maßgeblich für die Besteuerung. Voraussetzung ist, dass die Zuordnung nach außen hin erkennbar ist und die Aufteilung nicht zu einer nach § 42 AO unangemessenen wertmäßigen Berücksichtigung der einzelnen Wirtschaftsgüter führt. Ansonsten sind die Anschaffungskosten vorweg nach dem Verhältnis der Verkehrswerte den einzelnen Wirtschaftsgütern anteilig zuzurechnen.
Hat sich der Übergeber ein Nutzungsrecht an dem übertragenen Wirtschaftsgut vorbehalten, ist bei Aufteilung des Rechtsgeschäfts in den entgeltlichen und den unentgeltlichen Teil dem Entgelt der um den Kapitalwert des Nutzungsrechts geminderte Wert des Wirtschaftsguts gegenüberzustellen.
Beim Übergeber führt die teilentgeltliche Veräußerung von Grundstücken nur unter den Voraussetzungen des § 23 EStG zu steuerpflichtigen Einkünften.