Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Eine normale Geburt hindert nicht an der Einhaltung der Rechtsbehelfsfrist, da die Entbundene regelmäßig nach einem Tag Klage erheben oder eine Person hiermit beauftragen kann.
Sachverhalt
Im Streitfall ging es um die Festsetzung von Kindergeld. Einen hiergegen eingelegten Einspruch wies die Familienkasse als teilweise unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung wurde am 10. 7. 2009 als einfacher Brief versandt. Mit Schreiben v. 11. 8. 2009, das beim Finanzgericht am 18. 8. 2009 einging, erhob die Anspruchsberechtigte Klage. Da sie am 8. August entbunden habe, habe sie die Monatsfrist entschuldigt leicht überzogen. Insoweit begehrte sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Entscheidung
Das Finanzgericht verwarf die Klage mangels fristgerechtem Eingang als unzulässig. Denn die Klagefrist begann am 14. 7. 2009 zu laufen und endete am 13. 8. 2009. Die beim Finanzgericht am 18. 8. 2009 eingegangene Klage war daher verspätet erhoben worden. Der Vortrag hinsichtlich der Geburt reichte für das Finanzgericht nicht aus, um eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO, § 56 FGO) zu begründen. Denn Krankheit entschuldigt die Fristversäumung nur, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar auftritt und so schwerwiegend ist, dass weder die Wahrung der Frist noch die Bestellung eines Vertreters möglich war. Eine werdende Mutter ist durch die Dauer der Geburt nur kurzfristig an der Wahrnehmung ihrer Pflichten gehindert. Bei einer normalen Geburt ist es der Entbundenen regelmäßig nach einem Tag möglich, Klage zu erheben oder jedenfalls eine Person hiermit zu beauftragen. Da die Klägerin am 8. 8. 2009 entbunden wurde, hätte sie ausreichend Zeit gehabt, dafür Sorge zu tragen, dass die Klage bis zum Ablauf des 13. 8. 2009 beim Finanzgericht eingereicht wird.
Hinweis
Die Sach- und Rechtslage ist dann eine andere, wenn es sich um eine Geburt mit Komplikationen bzw. durch diese verursachte schwere psychische Störungen der Mutter handelt. Im Übrigen macht die Entscheidung einmal mehr deutlich, dass derjenige, der die Rechtsbehelfsfrist "ausreizt", eine besondere Sorgfalt an den Tag legen sollte, um sicher zu stellen, dass sein Rechtsbehelf auch tatsächlich noch fristgerecht eingeht.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2010, 2 K 3539/09