Leitsatz
Legt eine Personen-Obergesellschaft ihr Wirtschaftsjahr abweichend von den Wirtschaftsjahren der Untergesellschaften fest, so liegt hierin jedenfalls dann kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts, wenn dadurch die Entstehung eines Rumpfwirtschaftsjahrs vermieden wird.
Normenkette
§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 5 Abs. 1 EStG, § 8b EStDV, § 42 Abs. 1 AO, § 240 Abs. 2, § 242 Abs. 3 HGB
Sachverhalt
Eine Holding GmbH & Co. KG wurde im Februar 1992 gegründet. Die Wirtschaftsjahre der Tochtergesellschaften entsprachen dem Kalenderjahr, während die Holding ihrem Gesellschaftsvertrag entsprechend ihre Gewinne für die Zeit vom 1.2. bis 31.1. ermittelte. Sie stellte also erstmals eine Bilanz auf den 31.1.1993 auf und erfasste darin die Gewinnanteile der Tochtergesellschaften aus 1992.
Das FA sah diese Gestaltung als missbräuchlich an und rechnete der Holding die Gewinne der Tochtergesellschaften aus dem Jahr 1992 bereits für 1992 zu. Die dagegen erhobene Klage hatte jedoch Erfolg.
Entscheidung
Der BFH teilte die Auffassung des FG und wies die Revision des FA zurück. Die handelsrechtlich und steuerrechtlich zulässige Wahl eines abweichenden Wirtschaftsjahrs sei nicht missbräuchlich erfolgt, weil dadurch die Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahrs vermieden worden sei.
Hinweis
1. Das EStG hat sich bekanntlich in § 4a Abs. 2 Nr. 2 dafür entschieden, dem Gewerbetreibenden den gesamten Gewinn des Wirtschaftsjahrs jeweils zu dessen Ende zuzurechnen. Das lädt zu Gestaltungen ein, die den Gewinn gezielt in einen bestimmten, meist späteren VZ verlagern sollen. Einer beliebigen Änderung des Wirtschaftsjahrs baut allerdings § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 EStG vor, der die Umstellung auf ein nicht mit dem Kalenderjahr übereinstimmendes Wirtschaftsjahr nur im Einvernehmen mit dem FA gestattet.
2. Nicht erfasst wird von § 4a Abs. 1 Nr. 2 EStG aber die erstmalige Wahl eines abweichenden Wirtschaftsjahrs im Jahr der Gründung des Gewerbebetriebs. Hier ist der Gewerbetreibende dem Gesetzeswortlaut nach völlig frei. Durch geschicktes Operieren könnte danach jedenfalls einmal eine knapp einjährige Steuerpause erreicht werden.
Es ist nicht fernliegend, wenn sich das FA in einem solchen Fall auf einen Gestaltungsmissbrauch beruft (§ 42 AO). In der Vergangenheit waren zwei dieser Fälle bis zum BFH gelangt und der BFH hatte in beiden Fällen die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigt.
- Der erste Fall (BFH, Urteil vom 18.12.1991, XI R 40/89, BStBl II 1992, 486) war dem hier besprochenen Fall sehr ähnlich. Eine am 1.3. gegründete Holding KG hatte ihr Wirtschaftsjahr vom 1.2. bis 31.1. festgelegt, während die Beteiligungsgesellschaften ein Wirtschaftsjahr vom 1.3. bis 28./29.2. hatten.
- Im zweiten Fall (BFH, Urteil vom 16.12.2003, VIII R 89/02, BFH/NV 2004, 936) war eine Betriebsaufspaltung durch Gründung einer Besitz-KG im Lauf des Februar entstanden. Die Betriebs-KG hatte ein dem Kalenderjahr entsprechendes Wirtschaftsjahr. Die Besitz-KG wählte ein Wirtschaftsjahr vom 1.2. bis 31.1.
Der BFH hatte in beiden Fällen einen Gestaltungsmissbrauch bejaht, weil es keine plausible Erklärung für die Wahl eines von dem Wirtschaftsjahr der Beteiligungs- bzw. Betriebsgesellschaft abweichenden Wirtschaftsjahrs gebe. Lediglich die Erzielung einer Steuerpause komme als Erklärung in Betracht.
3. Wo liegt nun der Unterschied zwischen dem hiesigen Besprechungsfall und den beiden Vorentscheidungen? In den beiden früheren Fällen hatte sich im ersten Jahr der Existenz des neu gegründeten Unternehmens (Obergesellschaft bzw. Besitzgesellschaft) ein Rumpfwirtschaftsjahr ergeben, obwohl bereits ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr gewählt worden war. Im hier entschiedenen Fall war das erste Wirtschaftsjahr aber ein volles, zwölf Monate umfassendes Wirtschaftsjahr. Dies hält der BFH für eine ausreichend plausible Erklärung der ausgeübten Wahl.
Wenn ein Rumpfwirtschaftsjahr bei Unternehmenseröffnung im Lauf des Jahrs eintritt, weil ein kalenderjahrgleiches Wirtschaftsjahr gewählt wird, ist dies nicht zu beanstanden. Denn das Gesetz selbst geht vom Kalenderjahr als Regelfall aus. Wird aber ein abweichendes Wirtschaftsjahr gewählt, dann muss dieses immer gleich im ersten Jahr volle zwölf Monate umfassen, um bei Entstehen einer Steuerpause dem Verdikt des Missbrauchs entgehen zu können.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 9.11.2006, IV R 21/05