Leitsatz
1. Ein Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Halbsatz 1 i.V.m. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) kann für denjenigen Veranlagungszeitraum, in dem eine Beteiligung veräußert wird, als erstes Antragsjahr gestellt werden, wenn der Antragsteller in diesem Veranlagungszeitraum bis zur Veräußerung zu irgendeinem Zeitpunkt in ausreichendem Umfang an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Das Erzielen von Kapitalerträgen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG in diesem Veranlagungszeitraum ist nicht erforderlich; es genügt die abstrakte Möglichkeit, aus der Beteiligung Kapitalerträge erzielen zu können.
2. Nach einer wirksamen Antragstellung ist das Vorliegen der materiell-rechtlichen Antragsvoraussetzungen gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG in den folgenden vier Veranlagungszeiträumen vom Finanzamt zu unterstellen. Die Beteiligungsvoraussetzungen müssen nur für das erste Antragsjahr erfüllt sein; ihr Wegfall in einem der folgenden vier Veranlagungszeiträume ist unerheblich.
3. Nachlaufende Beteiligungsaufwendungen sind unter Beachtung des Teilabzugsverbots als Werbungskosten auch dann abziehbar, wenn der Anteilseigner die Beteiligung im ersten Antragsjahr veräußert und in den folgenden vier Veranlagungszeiträumen ausschließlich Aufwendungen anfallen.
Normenkette
§ 32d Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d, § 3c Abs. 2 Satz 1, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 9 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war zu 1/3 an einer GmbH beteiligt. Die Anschaffungskosten der Beteiligung hatte er fremdfinanziert. 2010 veräußerte der Kläger seine Beteiligung. Der Erlös reichte nicht aus, um das Anschaffungsdarlehen vollständig abzulösen. Für den VZ 2010 beantragte der Kläger die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens und erklärte einen Verlust aus der Veräußerung der Beteiligung (§ 17 EStG). In den nachfolgenden VZ machte er die gezahlten Schuldzinsen nach Maßgabe des Teileinkünfteverfahrens als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Das FA lehnte dies nach einer Außenprüfung ab. Nach Veräußerung der Beteiligung könnten die nachlaufenden Einkünfte (Zinsaufwendungen) nicht mehr dem Teileinkünfteverfahren unterliegen, da die Voraussetzungen für die Option zum Teileinkünfteverfahren weggefallen seien. Das FG hat der Klage stattgegeben (FG Köln, Urteil vom 14.11.2023, 5 K 1843/16, Haufe-Index 16182817).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des FA zurückgewiesen. Nachlaufende Schuldzinsen können nach Maßgabe des Teileinkünfteverfahrens als Werbungskosten abgezogen werden, wenn für den Zeitraum der Veräußerung der Beteiligung der Antrag auf Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren wirksam gestellt worden ist. Dies gilt für die vier Folgejahre, in denen die Antragsvoraussetzungen vom FA unterstellt werden müssen. Dazu gehört auch das Vorliegen einer Beteiligung.
Hinweis
Streitig war, ob sog. nachlaufende Schuldzinsen als Werbungskosten abgezogen werden können, wenn für das Jahr, in dem die Beteiligung veräußert worden ist, die Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren wirksam beantragt worden ist (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG).
1. Sog. nachlaufende Schuldzinsen sind (auch nach Veräußerung der Beteiligung) als Werbungskosten abziehbar, wenn und soweit der Erlös aus der Veräußerung der Beteiligung nicht ausreicht, um das zur Finanzierung der Anschaffungskosten für die Beteiligung aufgenommene Darlehen vollständig abzulösen. Sie sind dann weiterhin durch die Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen veranlasst, auch wenn Einnahmen nicht mehr erzielt werden können; die Veräußerung der Beteiligung unterbricht den bei Anschaffung der Beteiligung begründeten Veranlassungszusammenhang insoweit nicht. Dies entspricht der gefestigten Rechtsprechung des BFH (Zitate im Urteil).
2. Soweit Schuldzinsen für die Anschaffung einer Beteiligung nicht (ausnahmsweise) dem Teileinkünfteverfahren unterliegen, gilt für sie das Werbungskosten-Abzugsverbot (§ 20 Abs. 9 Satz 1 EStG), auch soweit sie mit früheren dem persönlichen Steuertarif unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen (vor dem 1.1.2009) zusammenhängen (BFH, Urteil vom 28.2.2018, VIII R 41/15, BFH/NV 2018, 859, BStBl II 2018, 478, Rz. 21 ff. und BFH, Urteil vom 1.7.2014, VIII R 53/12, BFH/NV 2014, 1938, BStBl II 2014, 975, Rz. 10 ff.).
3. Im Streitfall ist der im Jahr der Veräußerung der Beteiligung gestellte Antrag auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens wirksam. Der Antrag kann auch im Jahr der Veräußerung der Beteiligung erstmals gestellt werden. Voraussetzung ist nur, dass der Antragsteller in diesem Jahr (zu irgendeinem Zeitpunkt) maßgeblich beteiligt war. Kapitalerträge müssen in diesem Jahr nicht erzielt worden sein; es genügt die abstrakte Möglichkeit (s. Leitsatz 1; im Urteil m. w. N.).
4. War der Antrag im Erstjahr wirksam, entfaltet er Wirkung auch für die vier folgenden VZ.
a) Nach einer wirksamen Antragstellung ist das Vorliegen der Antragsvoraussetzungen in den dem Erstjahr folgenden vier VZ vo...