Leitsatz
1. Versteckte Waren sind nur gestellt, wenn der Zollstelle ausdrücklich mitgeteilt wird, dass sie vorhanden sind.
2. Der Begriff des Verbringens beschreibt nicht ein Ereignis (nämlich das Gelangen in das Zollgebiet), sondern ein räumlich und zeitlich ausgedehntes Geschehen, die Verbringungshandlung. Ein vorschriftswidriges Verbringen von Waren ist jedoch beendet und die Zollschuld entstand spätestens dann, wenn die Waren ihren ersten Bestimmungsort erreicht haben und mit der Entladung des Transportmittels begonnen worden ist. Es ist nicht erforderlich, dass die Waren schon in den Wirtschaftskreislauf gelangt sind.
3. Am Verbringen beteiligt und damit Zollschuldner ist, wer eine Unterstützung des Verbringens zusagt, z.B. durch Zustimmung zur Nutzung eines Umschlagplatzes, auch wenn die Nutzung selbst erst nach Beendigung des Verbringens beginnt und als solche keine Zollschuldnerschaft auslöst.
4. Die Abgabenerhebung für Waren, die beschlagnahmt worden sind, ist keine Doppelbestrafung.
Normenkette
§ 21 UStG, § 21 TabStG, Art. 38, 40, 202, 233 Buchst. d ZK , *Leitsatz nicht amtlich
Sachverhalt
In einem Lkw waren unversteuerte Zigaretten hinter Sägespänen versteckt, um sie in die Gemeinschaft einzuschmuggeln. Die Zigaretten sollten, wie vorher verabredet, zu einer Werkstatthalle gebracht werden, um sie dort unbeobachtet entladen und an die Händler verteilen zu können. Der Eigentümer der Halle wird vom HZA auf die Eingangsabgaben in Anspruch genommen, nachdem dieses Geschehen entdeckt worden ist. Die Zigaretten sind noch in der Halle beschlagnahmt und später eingezogen worden.
Entscheidung
Der BFH hat den Steuerbescheid für rechtmäßig befunden und dem Hallenbesitzer deshalb keine PKH für ein Revisionsverfahren gegen das Urteil des FG gewährt, das seine Klage abgewiesen hatte (Urteil in ZfZ 2004, 312).
Hinweis
1. Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft gebracht werden, sind der Zollstelle zu "gestellen". Was dieser uralte Schlüsselbegriff des Zollrechts genau bedeutet, ist bis heute nicht in allem abschließend geklärt. Gehört dazu mehr als die schlichte Mitteilung, sich mit (irgendwelchen) Waren am Amtsplatz zu befinden (wobei die Zollbeamten selbst suchen mögen, ob sie etwas Interessantes finden)?
Geklärt ist vom EuGH – im Ergebnis mit der früheren Rechtslage nach dem deutschen Zollrecht übereinstimmend –, dass eine solche Mitteilung jedenfalls nicht für die Gestellung versteckter Waren ausreicht (wobei es darüber hinaus Anzeichen gibt, dass der EuGH generell für die Gestellung eine zumindest grobe, zusammengefasste Charakterisierung der am Amtsplatz befindlichen, für die Kontrolle zur Verfügung gestellten Waren durch den Zollbeteiligten verlangt).
2. Wer Waren nicht gestellt, obwohl er dies tun müsste, verbringt sie vorschriftswidrig in das Zollgebiet. Die Besprechungsentscheidung lässt trotz diesbezüglicher eingehender, mitunter geradezu philosophisch anmutender Erwägungen letztlich offen, ob dies bereits dann geschehen ist, wenn die vorgenannte Mitteilung nicht zur rechten Zeit abgegeben worden ist oder erst beim Verlassen des Amtsplatzes der Zollstelle oder noch später. Sie spricht nur eine "Neigung" aus, einen der beiden ersten Zeitpunkte als maßgeblich anzusehen.
Die Bestimmung jenes Zeitpunkts ist u.a. wichtig, weil ein Gehilfe des Verbringers nur dann neben jenem Zollschuldner wird, wenn er seinen Beitrag leistet, bevor die Waren verbracht worden sind.
Die Bedeutung des vorgenannten Zeitpunkts wird allerdings durch den zutreffenden Hinweis des BFH relativiert, dass die vorherige Zusage eines nach dem Verbringen zu leistenden Gehilfenbeitrags selbst eine die Zollschuldnerschaft begründende (rechtzeitige) Beteiligung am Verbringen darstellt.
Beachten Sie, dass die Zollschuldnerschaft des Gehilfen des Verbringers aufgrund des § 21 im UStG und TabakStG auch für die Einfuhrumsatz- und Tabaksteuer gilt.
Nur bei einem Verbringen aus anderen Mitgliedstaaten ist der Kreis der Steuerschuldner in § 19 TabStG eigenständig und enger beschrieben!
3. Der Zeitpunkt der Beendigung des Verbringens kann ferner Bedeutung haben, weil die Abgabenschuld infolge Einziehung der Ware nicht erlischt, wenn bei Beschlagnahme derselben das Verbringen schon beendet ist (vgl. Art. 233 Buchst. d ZK).
4. Beachten Sie, dass all diese Rechtssätze in einer PKH-Entscheidung des BFH enthalten sind. Das PKH-Verfahren dient nämlich zwar nicht der Klärung "schwieriger" Rechtsfragen; in ihm ist aber die Rechtslage auch nicht etwa nur"summarisch" oder gar oberflächlich zu prüfen!
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 13.10.2005, VII S 46/05 (PKH)*