Leitsatz

1. Aufwendungen für eine erstmalige, vom Arbeitsamt unterstützte Berufsausbildung zur Bürokauffrau können Werbungskosten sein, soweit sie die Kostenerstattungen nach § 45 AFG (jetzt §§ 79, 81 SGB III) übersteigen.

2. Das Unterhaltsgeld i.S.d. § 44 AFG (jetzt §§ 77, 153 SGB III) ist demgegenüber nicht nach § 3c EStG anzurechnen (Fortführung der Rechtsprechung des BFH, Urteil vom 4.3.1977, VI R 213/75, BStBl II 1977, 507).

 

Normenkette

§ 3c EStG , § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG , § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG , § 12 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

Nach der Schulzeit verzichtete die 30 Jahre alte, verheiratete Klägerin zunächst auf eine Berufsausbildung. Stattdessen arbeitete sie als ungelernte Kraft und erledigte u.a. Büroarbeiten im EDV-Bereich. Nach ihrem Erziehungsurlaub ab Oktober 1995 begann sie mit Förderung des Arbeitsamts eine Ausbildung zur Bürokauffrau in einer überbetrieblichen Ausbildungseinrichtung. Sie erhielt dort keinen Lohn. Das Arbeitsamt gewährte ihr Unterhaltsgeld, im Streitjahr 1996 i.H.v. ca. 6.700 DM. Im Anschluss daran wurde sie als Buchhalterin in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bei einem Steuerberater übernommen.

Für das Streitjahr machte die Klägerin den Abzug der – nicht vom Arbeitsamt gem. § 45 AFG erstatteten – Aufwendungen für ihre Berufsausbildung i.H.v. ca. 7.700 DM (vornehmlich Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte bzw. -schule) als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. Das FA gewährte nur den Höchstbetrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Die Klage blieb erfolglos.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Im zweiten Rechtsgang wird das FG die Feststellungen zu den einzelnen geltend gemachten Aufwendungen nachzuholen haben. Der BFH wies zudem darauf hin, dass insbesondere zu prüfen sei, ob angesichts der häufigen Fahrten zur Schule diese als regelmäßige Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusehen sei (Hinweis auf BFH, Urteil vom 29.4.2003, VI R 86/99, BFH-PR 2003, 296).

 

Hinweis

1. Nachdem der VI. Senat zunächst zahlreiche Revisionen zur Frage der Berücksichtigung von Aufwendungen bei beruflichen Bildungsmaßnahmen als vorab entstandene Werbungskosten (Anerkennung dem Grund nach) entschieden hat (vgl. zuletzt z.B. BFH, Urteile jeweils vom 22.7.2003, VI R 137/99, BFH-PR 2003, 416; VI R 50/02, )BFH-PR 2003, 417, hat er sich den Fragen zugewandt, welche Kosten (der Höhe nach) anzuerkennen sind (vgl. BFH, Urteile vom 29.4.2003, VI R 86/99, BFH-PR 2003, 296; vom 22.7.2003, VI R 190/97, BFH-PR 2004, 5).

2. In der Besprechungsentscheidung war insbesondere von Bedeutung, ob (und ggf. welche) dem Grund nach als Werbungskosten anzuerkennende Bildungsaufwendungen im Hinblick auf eine öffentliche Förderung durch das Arbeitsamt wegen § 3c EStG zu kürzen sind.

§ 3c Abs.1 EStG schreibt vor, dass Ausgaben nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden dürfen, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein solcher Zusammenhang gegeben, wenn die Ausgaben und die Erträge nach ihrer Entstehung oder Zweckbestimmung so verbunden sind, dass die Ausgaben ursächlich und unmittelbar auf Vorgänge zurückzuführen sind, welche die Erträge betreffen, also die Aufwendungen ohne die Einnahmen nicht angefallen wären. Ein finaler Zusammenhang zwischen Ausgaben und Einnahmen ist nicht erforderlich; ausreichend ist die Feststellung einer erkennbaren und abgrenzbaren Beziehung, die im Einzelfall zu prüfen ist.

4. Nach § 45 AFG (jetzt §§ 79, 81 SGB III) trägt das Arbeitsamt ganz oder teilweise die notwendigen Kosten, die durch die Fortbildungsmaßnahme unmittelbar entstehen (Kostenübernahme). Diese sind als "übrige Leistungen" nach § 3 Nr. 2 EStG steuerfrei. Hierzu zählen nach Maßgabe näherer Bestimmungen z.B. Lehrgangskosten, Kosten für Lernmittel, Fahrtkosten, Kosten der Arbeitsbekleidung, Kosten der Unterkunft usw. Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass diese (funktionsgebundenen) Erstattungen nach § 3c EStG an- bzw. gegenzurechnen sind.

5. Anders ist dies bei dem gleichfalls nach § 3 Nr. 2 EStG steuerfreien Unterhaltsgeld (§ 44 AFG; jetzt §§ 77, 153 SGB III). Allgemein gesehen zielt das Unterhaltsgeld darauf ab, den Unterhalt des Teilnehmers während einer vom Arbeitsamt geförderten Bildungsmaßnahme zu sichern. Denn diese bindet die Arbeitskraft des Teilnehmers ab einem bestimmten Unterrichtsumfang in einer Weise – so die Annahme des Gesetzgebers –, dass jener keine Beschäftigung ausüben kann, die ihm das Bestreiten seines Lebensunterhalts ermöglichen würde. Zudem nimmt die berufliche Bildungsmaßnahme den Teilnehmer regelmäßig so in Anspruch, dass er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung steht. Außerdem soll die Gewährung von Unterhalt die Konzentration des Betreffenden auf die Bildungsmaßnahme weitgehend fördern, um die Aussichten auf einen erfolgreichen Abschluss zu erhöhen.

Angesichts dieser allgemeinen Zielrichtung des Unterhalts b...

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