Prof. Dr. rer. pol. Hanno Kirsch
1 Einführung
Rz. 1
Wertschöpfungsrechnungen finden sich in den Geschäftsberichten zahlreicher Konzerne. Sie sind weder nach HGB noch nach IFRS verpflichtend, bilden somit jeweils eine freiwillige Information. Im Gegensatz zu Erfolgs-, Erfolgsstruktur- oder Rentabilitätsanalysen, die stets als Erfolg den auf die Anteilseigner entfallenden Gewinn bzw. Cashflow ansehen, stellt die Wertschöpfungsanalyse entsprechend dem Stakeholder-Ansatz auf einen breiteren Erfolgsbegriff ab. Danach soll die Wertschöpfung den Beitrag bzw. Anteil aller am Unternehmen Beteiligten an der volkswirtschaftlichen Leistung messen.
Rz. 2
Darüber hinaus wurde empirisch nachgewiesen, dass die aus der Kennzahl "Wertschöpfung" abgeleitete Produktivität einen wichtigen Treiber für die künftige Ertragskraft des Unternehmens bildet (vgl. Rz. 36 f.).
2 Grundlagen der Wertschöpfungsrechnung
2.1 Begriff der Wertschöpfung
Rz. 3
Die Wertschöpfung gibt aus betriebswirtschaftlicher Sicht den Wertezuwachs an, der von einem Unternehmen über die von anderen Betrieben bezogenen Vorleistungen hinaus erwirtschaftet wird. Die Wertschöpfung kann damit anschaulich als die Eigenleistung des Betriebs bzw. Unternehmens bezeichnet werden. Volkswirtschaftlich zeigt die Wertschöpfung den Anteil eines Wirtschaftssubjektes am Nettosozialprodukt an.
Rz. 4
Der konkrete Umfang der Wertschöpfung in der betriebswirtschaftlichen Literatur hängt vom verwendeten Leistungsbegriff ab. Die Leistung schließt in jedem Fall diejenigen Umsatzerlöse ein, die aus dem Absatz von Gütern resultieren und die der Verwirklichung des angestrebten Betriebszwecks dienen. Weitergehende Abgrenzungen beziehen darüber hinaus noch die Bestandsveränderungen und die selbst erstellten Sachanlagen und selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswerte sowie die aus Nebengeschäften resultierenden Umsatzerlöse und sonstigen Erträge ein. Analog bestehen Alternativen bei der Abgrenzung der Vorleistungen. Im Falle von Industriebetrieben gehören zu den Vorleistungen zumindest die zur Hervorbringung der Betriebsleistungen erforderlichen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie die Abschreibungen auf Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte. In der weiteren Fassung zählen auch die für die Entstehung der Nebenleistungen benötigten Vorleistungen sowie die sonstigen betrieblichen Aufwendungen zu den in einer Wertschöpfungsrechnung darzustellenden Vorleistungen. (In einer gesellschaftsbezogenen Perspektive sind darüber hinaus noch weitere Leistungs- und Vorleistungskomponenten zu identifizieren. Vgl. Rz. 41 ff.)
Rz. 5
Je nachdem, ob Leistungen und Vorleistungen eher restriktiv oder weniger restriktiv abgegrenzt werden, enthält die Wertschöpfung unterschiedliche Komponenten. Die Wertschöpfung im engeren Sinne umfasst dann den Personalaufwand, den Zinsaufwand, die Steuern und Abgaben sowie das auf die Anteilseigner entfallende Residualeinkommen, sofern sich diese Wertschöpfungskomponenten unmittelbar auf die Erfüllung des Betriebszwecks beziehen. Sofern in Geschäftsberichten eine Darstellung der Wertschöpfung erfolgt, wird die dort zumeist veröffentlichte Wertschöpfung aus den Daten des Jahres- bzw. Konzernabschlusses abgeleitet und setzt sich aus dem Personalaufwand, dem Zinsaufwand, den Steuern und Abgaben sowie dem Periodenergebnis bzw. Jahresüberschuss (bzw. im Konzernabschluss auch aus den auf die nicht beherrschenden Gesellschafter entfallenden Ergebnisanteilen nach Steuern) aus der gesamten Geschäftstätigkeit des Unternehmens (bzw. Konzerns) zusammen.
2.2 Aufbau der Wertschöpfungsrechnung
Rz. 6
Die Wertschöpfungsrechnung kann grundsätzlich mittels jeder Zeitraumrechnung kalkuliert werden. Die auf einer Kosten- und Leistungsrechnung basierende Wertschöpfungsrechnung bezweckt die Ermittlung der Wertschöpfung aus dem betrieblichen Kerngeschäft und deren Verteilung auf die an der Unternehmung Beteiligten. Falls sich die Wertschöpfung auf die in sämtlichen Arbeitsgebieten des Unternehmens erzielten Wertzuwächse bezieht, so bildet die als Bestandteil des Jahresabschlusses enthaltene GuV-Rechnung im Regelfall den Ausgangspunkt zur Abl...