Leitsatz
1. Eine zulassungsfreie Revision in einer Zolltarifsache setzt voraus, dass das FG-Urteil auf einer Entscheidung über eine zolltarifrechtliche Frage beruht.
2. Ein Verzicht auf mündliche Verhandlung kann allenfalls dadurch widerrufen werden, dass der Widerruf klar, eindeutig und vorbehaltlos erklärt wird.
Normenkette
FGO §§ 116 Abs. 2 , 126 Abs. 1 , 90 Abs. 1 Satz 1
Sachverhalt
Die Klägerin hatte T-Shirts zunächst zollfrei eingeführt, weil für aus Bangladesch stammende Waren dieser Tarifposition ein Präferenz-Zollsatz gewährt wurde. Später wurde vom HZA Zoll nachgefordert.
Die Klägerin erhob dagegen Klage, verzichtete jedoch auf mündliche Verhandlung. Einen später vom FG gegebenen Hinweis, dass für die Zollbefreiung erforderliche Nachweise fehlten, beantwortete sie durch ergänzenden Sachvortrag, für den sie Zeugenbeweis anbot. Das FG wies die Klage ohne mündliche Verhandlung ab.
Die Klägerin rügte unter anderem, dass ohne mündliche Verhandlung entschieden worden sei; ihren Verhandlungsverzicht habe sie widerrufen.
Entscheidung
Der BFH hielt die zulassungsfrei eingelegte Revision für unzulässig. Er verwarf sie deshalb durch Beschluss.
Es handele sich nicht um eine Zolltarifsache, weil über die tarifliche Einordnung der T-Shirts nicht gestritten werde.
Das Urteil des FG leide auch nicht an einem Verfahrensmangel, der die zulassungsfreie Revision statthaft mache (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO). Es könne offen bleiben, ob ein Verzicht auf mündliche Verhandlung überhaupt widerrufen werden könne. Jedenfalls sei dafür eine klare, eindeutige und vorbehaltlose Widerrufserklärung notwendig. Die BFH-Rechtsprechung zu § 94a FGO, wonach ein Antrag auf mündliche Verhandlung auch konkludent gestellt werden kann, könne auf den Fall des Verzichts-Widerrufs nicht übertragen werden.
Die Klägerin habe ihren Verzicht nicht unmissverständlich widerrufen. Ihr ergänzender Sachvortrag, insbesondere ihr Beweiserhebungsbegehren, ließen zwar Zweifel daran aufkommen, ob die Klägerin an ihrem Verzicht wirklich festhalten wolle. Ihr diesbezüglicher Schriftsatz lasse sich jedoch auch als bloße Anregung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung verstehen und sei deshalb jedenfalls nicht eindeutig eine Widerrufserklärung.
Hinweis
1. Für bis zum 31.12.2000 verkündete oder an Verkündungs statt zugestellte Urteile ist eine zulassungsfreie Revision u.a. gegeben, wenn es sich um eine "Zolltarifsache" handelt. Seit dem 1.1.2001 ist jedoch diese zulassungsfreie Revision ebenso wie die zulassungsfreie Verfahrensrevision nach § 116 Abs. 1 FGO a.F. abgeschafft.
2. Zolltarifsache war (ist) nur eine Sache, in der das FG darüber entschieden hat, wie eine Ware zolltariflich einzuordnen ist, in der es also den Zolltarif ausgelegt oder angewandt hat. Ist nur die Beschaffenheit einer Ware streitig und hängt davon eine Zollpräferenz ab, macht dies die Sache nicht zu einer Zolltarifsache.
3. Ein Verzicht auf mündliche Verhandlung kann grundsätzlich nicht frei widerrufen werden. Überwiegend wird die Möglichkeit eines Widerrufs selbst dann verneint, wenn eine wesentliche Änderung der Prozesslage nach dem Verzicht eingetreten ist. Wenn Sie darauf setzen wollen, dass sich der ansatzweise auch in der Rechtsprechung des BFH schon geäußerte Gedanke durchsetzt, bei einer solchen Änderung der Prozesslage könne der Verzicht widerrufen werden, müssen Sie den Widerruf jedoch klar, eindeutig und vorbehaltlos erklären.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 9.10.2000, VII R 34/00