Leitsatz

Aufgrund der im Einspruchsverfahren erwirkten Nichtberücksichtigung des Umsatzes aus einer Bauleistung ist das FA berechtigt, bestandskräftige USt-Bescheide für andere Veranlagungszeiträume wegen widerstreitender Steuerfestsetzung zu ändern, soweit VoSt im Zusammenhang mit der Bauleistung abgezogen wurde. Diese Änderungsbefugnis besteht auch dann, wenn die VoSt vom FA zuvor geschätzt worden war.

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GbR, verkaufte 1992 ein Grundstück. Das FA ging zunächst von einem Verkauf mit Bauverpflichtung aus, so dass die Umsätze 1992 zu erhöhen waren. Im nachfolgenden Einspruchsverfahren gegen den USt-Bescheid 1992 wurde der Verkauf des Grundstücks als unbebautes Grundstück mit Architektenplänen anerkannt und die steuerpflichtigen Umsätze entsprechend reduziert. Das FA änderte sodann auch die bestandskräftigen USt-Bescheide der beiden Vorjahre und kürzte die VoSt um die geschätzte VoSt für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen im Zusammenhang mit der Bebauung des veräußerten Grundstücks. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage.

 

Entscheidung

Die zulässige Klage hatte keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Änderung der bestandskräftigen USt-Bescheide 1990 und 1991 aufgrund widerstreitender Steuerfestsetzung lagen nach Ansicht des erkennenden Senats vor (§ 174 Abs. 4 AO). Diese Änderungsvorschrift finde Anwendung bei tatsächlich oder rechtlich irriger Beurteilung eines einheitlichen Sachverhalts. Die Änderung des USt-Bescheides 1992 im Einspruchsverfahren beruhe auf der richtigen Qualifizierung des Sachverhalts als Verkauf eines unbebauten Grundstücks ohne Bauverpflichtung. Genau dieser Sachverhalt könne auch den Streitjahren 1990 und 1991 zugrunde gelegt werden. Daher seien die steuerrechtlichen Folgerungen aus der erkannten Unrichtigkeit des Sachverhalts auch in einem bzw. mehreren anderen gegenüber dem Stpfl. ergangenen Bescheiden zu ziehen. Die Änderung aufgrund widerstreitender Steuerfestsetzung verlange nicht, dass die richtigen steuerrechtlichen Folgerungen aus einem Sachverhalt nur in einem Steuerbescheid gezogen werden dürften. Die irrige Beurteilung des Sachverhaltes könne sich in mehreren Besteuerungsabschnitten auswirken und dementsprechend die Änderung der Steuerbescheide für mehrere Veranlagungszeiträume erforderlich machen. Dies stehe im Einklang mit dem Zweck der Vorschrift, wonach bei einer antragsgemäßen Änderung des Steuerbescheides zugunsten des Betroffenen die Durchsetzung des sich aus demselben Sachverhalt ergebenden richtigen Steueranspruchs ermöglicht werden solle. Unerheblich sei hierbei, dass die Höhe der VoSt in den Streitjahren im Wege der Schätzung bestimmt worden sei.

 

Hinweis

Der vorgenannten Entscheidung, die rechtskräftig wurde, liegt einer der beiden Regelungskomplexe der widerstreitenden Steuerfestsetzung zugrunde. Der erste Regelungskomplex (§ 174 Abs. 1 bis 3 AO) regelt die alternative Erfassung bzw. Nichterfassung von bestimmten Sachverhalten, während der zweite - im Sachverhalt des Besprechungsfalls vorliegende - Regelungskomplex die Fälle der abweichenden Beurteilung von Sachverhalten betrifft (§ 174 Abs. 4 AO). Die mit der Veräußerung des Grundstücks im Zusammenhang stehenden Eingangs- und Ausgangsleistungen stellen einen einheitlichen, nicht abtrennbaren Sachverhalt dar, der irrig beurteilt worden war. Der Tatbestand der im Sachverhalt des Besprechungsfalls ausgelösten Änderungsvorschrift setzt ein Verschulden nicht voraus. Daher war es für die Korrektur der USt-Bescheide der Streitjahre - zutreffend - nicht entscheidungserheblich, wer für die zunächst irrige Beurteilung des Sachverhalts der Grundstücksveräußerung verantwortlich war (vgl. Braun, EFG 2007 S. 1223).

 

Link zur Entscheidung

FG Köln, Urteil vom 20.03.2007, 15 K 1487/03

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