Dr. Björn-Axel Dißars, Dr. Ulf-Christian Dißars
Leitsatz
Eine Wiedereinsetzung kommt bei der reinen Behauptung der Krankheit eines Vertreters nicht stets in Betracht.
Sachverhalt
Die Kläger sind Eheleute, die zur Einkommensteuer 2004 und 2005 veranlagt wurden. Der Ehemann war in der Vergangenheit Gesellschafter einer GmbH gewesen, die 2002 Insolvenz beantragt hatte, das Verfahren war aber noch nicht abgeschlossen. Die Einkommensteuerbescheide 2004 und 2005 ergingen zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach einer Änderung des Bescheides 2004 am 28.8.2008 wurde dieser Vorbehalt aufgehoben. In dem Änderungsbescheid hatte das Finanzamt einen Verlust nach § 17 EStG erstmalig berücksichtigt und die Steuer auf 0 EUR festgesetzt. Durch einen Verlustvortrag nach 2005 ergab sich Ende 2005 kein vortragsfähiger Verlust mehr. Am 2.10. 2008 legten die Kläger gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2004 Einspruch ein, da noch Zinsen i. H. v. 25 TEUR als Werbungskosten zu berücksichtigen seien. Für 2005 seien zudem 13 TEUR als nachträgliche Anschaffungskosten auf die GmbH-Beteiligung zu berücksichtigen. Gleichzeitig wurde Wiedereinsetzung nach § 110 AO beantragt. Zum Nachweis des fehlenden Verschuldens wurde auf eine Krankheit des Bevollmächtigten verwiesen. Der Einspruch wurde zurückgewiesen. In der Klagebegründung wiederholten die Kläger im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Zudem führten sie aus, die Rechtsbehelfsbelehrung sei fehlerhaft gewesen, da keine Ausführungen zum Fristenende vorhanden waren.
Entscheidung
Die Klage wurde als unzulässig verworfen, da die Einspruchsfrist von einem Monat versäumt worden sei. Entgegen der Ansicht der Kläger gelte hier nicht die Jahresfrist, da die Rechtsbehelfsbelehrung nicht unvollständig gewesen sei. Der erforderliche Inhalt ergebe sich aus § 356 AO. Den rechtlichen Vorgaben genüge die Belehrung im Einzelfall. Auch komme eine Wiedereinsetzung nach § 110 AO nicht in Betracht, da die Säumnis hier als schuldhaft anzusehen sei. Das Verschulden des Bevollmächtigten müssten sich die Kläger zurechnen lassen. Die dargelegte Krankheit des Vertreters lege nicht nahe, dass dieser so plötzlich und schwer erkrankt gewesen sei, dass er nicht den Einspruch hätte einlegen können. Der Nachweis der besonderen Schwere der Krankheit sei nicht geführt. Im Übrigen spreche es für ein Organisationsverschulden, dass er für den Fall einer Krankheit keine Vertretung gesichert habe.
Hinweis
Das Urteil führt zweierlei vor Augen. Zum einen die Tatsache, dass es wenig Erfolg verspricht, sich auf die Unvollständigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung zu berufen, um eine Einspruchsfrist von einem Jahr zu ermöglichen. Gleichwohl ist auch dieser Aspekt stets zu prüfen, wenn die Monatsfrist versäumt wurde, aus welchen Gründen auch immer. Zum anderen zeigt dieses Urteil, dass die reine Behauptung, der steuerliche Vertreter sei erkrankt gewesen, regelmäßig nicht dazu führt, dass eine etwaige Fristversäumnis unverschuldet wäre (vgl. Schwarz, AO, § 110 AO Rz. 67). Es entspricht nämlich der gefestigten Rechtsprechung des BFH, dass ein steuerlicher Berater, auch im Fall einer Erkrankung für eine angemessene Vertretung zu sorgen hat (z. B. BFH, Urteil v. 22.7.1991, III B V 22/91, BFH/NV 1992 S. 257; BFH, Beschluss v. 31.7.2002, VIII B 52/09, BFH/NV 2003 S. 58). Etwas anderes wird nur bei einer unvorhersehbaren, längerfristigen Erkrankung gelten, da dann eine Vertretung nur schwer planbar ist. Die vom Kläger anhand eines Attests dargelegte Magen-Darm-Erkrankung reichte da nicht aus. Insofern überrascht die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg nicht.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.02.2012, 7 K 7065/09