Leitsatz
Für die Wirksamkeit der Bekanntgabe eines Steuerbescheides ist ein Bekanntgabewille erforderlich.
Sachverhalt
Die Kläger wurden als Eheleute im Streitjahr zusammen veranlagt. In der Einkommensteuererklärung machten sie dabei Aufwendungen für selbst getragene Krankheitskosten geltend, die vom Finanzamt nur zum Teil anerkannt wurden. Gegen den Bescheid legten die Kläger Einspruch ein. Zur Begründung reichten sie eine Bescheinigung einer Heilpraktikerin ein. Die Sachbearbeiterin beim Finanzamt führte hierauf eine Probeabrechnung durch, die als solche gekennzeichnet war, und die sie in die Akte heftete. Anschließend legte sie den Fall dem Sachgebietsleiter vor. Dieser bat die Sachbearbeiterin um eine erneute Aufbereitung des Falls, gab aber versehentlich den "Änderungsbescheid" durch irrtümliches Anklicken des Falles in der EDV frei. Dementsprechend erging ein "Änderungsbescheid" auf der Grundlage der Probeabrechnung, also unter Berücksichtigung der vollen Krankheitskosten. Als dies bekannt wurde, erließ das Finanzamt eine Verfügung, in der erklärt wurde, dass die Bekanntgabe nicht gewollt gewesen sei. Der "Bescheid" sei deshalb unwirksam. Gegen den Bescheid über die Unwirksamkeit des "Änderungsbescheides" legten die Kläger Einspruch und Klage ein.
Entscheidung
Die Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen, da der Bescheid über die Unwirksamkeit rechtmäßig gewesen sei. Für eine wirksame Bekanntgabe eines Steuerbescheides sei nämlich ein Bekanntgabewille erforderlich. Aus den Umständen des Falles sei ersichtlich, dass der Sachgebietsleiter den Bescheid nicht habe freigeben wollen, sondern die Freigabe sei allein aufgrund eines Versehens erfolgt. Die tatsächliche Freigabe durch das Anklicken der Freigabe sei dabei unerheblich. Gründe des Vertrauensschutzes seien hier nicht zugunsten der Kläger zu berücksichtigen.
Hinweis
Der Fall bietet Gelegenheit, sich vor Augen zu führen, dass für eine wirksame Bekanntgabe eines Steuerbescheides stets auch eine innere Tatsache von Bedeutung ist, nämlich der Wille den Bescheid bekannt zu geben. Dies entspricht der Rechtslage bei der Bekanntgabe einer Willenserklärung nach BGB und ist für das Steuerrecht allgemein anerkannt (siehe hierzu M. Frotscher, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 122 AO Rz. 11f. m. w. N.). Wenn hier der Sachgebietsleiter nach den Feststellungen des Finanzgerichts keine Freigabe wollte, sondern einen internen Bearbeitungsauftrag erteilen wollte, ist ein solcher Bekanntgabewille sicherlich nicht vorhanden gewesen. Unter der Annahme, dass der Sachverhalt zutreffend ermittelt wurde, ist die Entscheidung des Finanzgerichts damit als zutreffend anzusehen. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Link zur Entscheidung
Hessisches FG, Urteil vom 12.11.2015, 3 K 1501/15