Leitsatz
Die für die umsatzsteuerrechtliche Organschaft erforderliche wirtschaftliche Eingliederung kann bereits dann vorliegen, wenn zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft aufgrund gegenseitiger Förderung und Ergänzung mehr als nur unerhebliche wirtschaftliche Beziehungen bestehen; insbesondere braucht die Organgesellschaft nicht wirtschaftlich vom Organträger abhängig zu sein.
Normenkette
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG , Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger, ein Architekt, gründete als Alleingesellschafter und Geschäftsführer eine Bauträger-GmbH, für die er als Architekt tätig war. Das FA war – anders als der Kläger – der Auffassung, es liege deswegen keine Organschaft vor, weil es an der wirtschaftlichen Eingliederung vollständig gefehlt habe.
Die Bauträgergesellschaft könne schon aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung (Umsatz 4 Mio.) nicht als Teil des Architekturbüros des Klägers (Umsatz 400.000) angesehen werden. Nicht die GmbH, sondern der Kläger sei von den Aufträgen der GmbH abhängig. Die Architektenleistungen seien nur zu etwa 10 % in die Wertschöpfung der GmbH eingegangen.
Das FG und das dem Verfahren beigetretene BMF sahen das ähnlich.
Entscheidung
Die Revision führte aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung. Der BFH bejahte eine Organschaft zwischen dem Kläger und der GmbH. Die vom BMF als verfassungswidrig angemahnten Wettbewerbsvorteile sind eine der Folgen der vom Gesetzgeber für zweckmäßig erachteten Regelung und vom Verfassungsgericht nicht beanstandet worden.
Auch aus der 6. EG-RL, die den Mitgliedstaaten – im Übrigen deshalb, weil Deutschland so an seiner Organschaft hing – eine entsprechende Regelung in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. RL erlaubt, lässt sich – entgegen der Auffassung des BMF – für die engere Auslegung der Finanzverwaltung kein Honig saugen.
Im Streitfall war die gegenseitige Förderung offensichtlich. Der Kläger hatte die GmbH allein zum Zweck der – haftungsbeschränkteren – Vermarktung seiner Architekten- und bisherigen Bauträgerleistungen gegründet. Wegen der deutlich ausgeprägten finanziellen und organisatorischen Eingliederung mussten an die wirtschaftliche Eingliederung keine hohen Anforderungen mehr gestellt werden.
Das FG muss nun noch Feststellungen zur Aufteilung der Vorsteuern treffen.
Hinweis
Eine Organschaft liegt vor, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG). Es ist nicht erforderlich, dass alle drei Merkmale einer Eingliederung sich gleichermaßen deutlich feststellen lassen. Nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse kann die Selbstständigkeit auch dann fehlen, wenn die Eingliederung auf einem der drei Gebiete nicht vollkommen ist.
Beachten Sie: Die für die Annahme einer Organschaft erforderliche finanzielle Eingliederung einer juristischen Person in das Unternehmen eines Organträgers setzt voraus, dass der Organträger über die Mehrheit der Stimmrechte aus Anteilen an der juristischen Person als Organgesellschaft verfügt. Die Beteiligung an der Organgesellschaft muss stets über 50 % der gesamten Stimmrechte betragen (z.B. BFH, Urteil vom 22.11.2001, V R 50/00, BFH-PR 2002, 147). Leistungen zwischen Organträger und Organgesellschaft (Innenleistungen) sind nicht steuerbar.
Für die organisatorische Eingliederung einer GmbH ist die Personenidentität in den Leitungsgremien des Organträgers und der Organgesellschaft ausreichend. Für die wirtschaftliche Eingliederung ist zwar charakteristisch, dass die Organgesellschaft im Gefüge des übergeordneten Organträgers als dessen Bestandteil erscheint; es genügt aber schon, wenn zwischen der Organgesellschaft und dem Unternehmen des Organträgers ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinn einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung – sei es auch in verschiedenen Wirtschaftszweigen – vorhanden ist.
Die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft müssen aufeinander abgestimmt sein. Sie müssen sich – nur – fördern und ergänzen. Für die umsatzsteuerrechtliche Organschaft kann somit eine den Betrieb der Untergesellschaft fördernde Tätigkeit der Obergesellschaft ausreichen. In Betracht kommt dabei neben Lieferungen von Waren auch das Erbringen sonstiger Leistungen. Z.B. genügt die Vermietung eines Betriebsgrundstücks, wenn dieses für die Organgesellschaft von nicht nur geringer Bedeutung ist, weil es die räumliche und funktionale Grundlage der Geschäftstätigkeit der Organgesellschaft bildet (Betriebsaufspaltung).
Beachten Sie zur wirtschaftlichen Eingliederung: Eine wirtschaftliche Zweckabhängigkeit der Organgesellschaft, wie sie nach § 14 KStG a.F. gefordert wurde (vgl. BFH, Urteil vom 24.1.2001, I R 13/00, BFH-PR 2001, 299), ist im Umsatzsteuerrecht nicht erforderlich; für die umsatzsteuerrechtliche Organschaft gelten andere Voraussetzungen als für die Organschaft...