Leitsatz

1. Trägt bei einem Wertpapierdarlehen der Darlehensnehmer die Kurschancen und -risiken der überlassenen Wertpapiere, so spricht dies gegen einen Verbleib des wirtschaftlichen Eigentums beim Darlehensgeber (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 18.08.2015 ‐ I R 88/13, BFHE 251, 190, BStBl II 2016, 961).

2. Die an die Stelle der darlehensweise ausgereichten Wertpapiere getretene Rückübertragungsforderung ist vom Darlehensgeber erfolgsneutral mit dem Buchwert der Wertpapiere zu aktivieren. Teilwertabschreibungen auf die Rückübertragungsforderung sind nicht gemäß § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG außerbilanziell zu neutralisieren.

3. Zur Frage des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit Wertpapierdarlehensgeschäften eines Versicherungsunternehmens.

4. Bei der Berechnung des Minderungsbetrags nach § 20 Abs. 2 Satz 2 KStG sind Renten-Deckungsrückstellungen i.S. von § 341g Abs. 5 HGB einzubeziehen. Im Rahmen der Ablaufverprobung zur Ermittlung des Minderungsbetrags sind die Renten-Deckungsrückstellungen nach den für steuerliche Zwecke anzuwendenden Regeln zu bewerten; etwaige Nachreservierungen aufgrund veränderter Daten zur Lebenserwartung sind nicht zu eliminieren.

5. In die aufgrund einer im Jahr 2005 durchgeführten Rückgabe von Fondsanteilen vorzunehmende Ermittlung des besitzzeitanteiligen Anleger-Aktiengewinns gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 InvStG 2004 gehen ggf. auch Verluste aus Veräußerungen von Aktien ein, die sich auf Ebene des Fonds vor Inkrafttreten des InvStG 2004 (hier: im Jahr 2002) realisiert haben. Dies ist unter dem Aspekt des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes unbedenklich.

 

Normenkette

§ 8b Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 3, § 20 Abs. 2 Satz 2 KStG, § 39 Abs. 2 Nr. 1, § 42 AO, § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a EStG, § 341g Abs. 1 und 5 HGB, § 8 Abs. 1 bis 3 InvStG 2004, Art. 20 Abs. 3 GG

 

Sachverhalt

Der Kläger, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, der im Schaden- und Unfallversicherungsgeschäft tätig ist, schloss mit fünf Banken jeweils einen Rahmenvertrag über Wertpapierdarlehen. Danach konnten die Vertragsparteien je nach Einzelabschluss entweder Darlehensgeber oder -nehmer sein. Der Darlehensgeber schuldete die Übertragung des Eigentums an den im Einzelabschluss bestimmten Wertpapieren. Der Darlehensnehmer war zur Zahlung eines Entgelts (Leihgebühr) und zur Rückübertragung von Wertpapieren gleicher Art und Menge verpflichtet. Während der Darlehenslaufzeit auf die Wertpapiere gezahlte Zinsen, Gewinne und sonstige Ausschüttungen waren dem Darlehensgeber i.H.d. Gegenwerts mit Wertstellung zum Tag der tatsächlichen Zahlung zu erstatten (Kompensationszahlung). Die Kündigungsfrist des Darlehensnehmers betrug einen, die des Darlehensgebers fünf bzw. drei Geschäftstag(e).

Der Rahmenvertrag mit einer der Banken (Bank 1) enthielt – anders als die übrigen Rahmenverträge – eine Regelung, der zufolge der Darlehensgeber "als wirtschaftlicher Eigentümer" der Wertpapiere das Risiko der Bonität der Emittentin trage. Außerdem war in dem Vertrag mit der Bank 1 geregelt, dass dem Darlehensgeber Sicherheiten zu bestellen waren, die er bei nicht fristgemäßer Rückübertragung der Wertpapiere nach Zugang einer Mahnung verwerten konnte; die Bestellung der Sicherheiten war aufschiebende Bedingung für die dingliche Einigung über den Übergang des Eigentums an den zu liefernden Wertpapieren. Vor den Streitjahren hatte die Bank 1 dem Kläger ein Wertpapierdepot zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche des Klägers aus dem Rahmenvertrag und auf dessen Basis vereinbarter Einzelabschlüsse verpfändet. Die Rahmenverträge mit den übrigen Banken sahen vor, dass eine Partei von der anderen einen Wertausgleich verlangen konnte, wenn an einem Bankarbeitstag ihre Darlehenssumme die Darlehenssumme der anderen Partei überstieg und ein bestimmter Mindestbetrag überschritten war.

In Ausfüllung der Rahmenverträge vereinbarte der Kläger als Darlehensgeber jeweils über die Bilanzstichtage Einzelabschlüsse über börsennotierte, sammelverwahrte Inhaber-, Namens- und vinkulierte Namensaktien, die er teilweise schon viele Jahre im Anlagevermögen gehalten hatte. In den Einzelabschlüssen wurden die darlehensweise zu übertragenden Aktien durch die Angabe der Anzahl, der International Securities Identification Number (ISIN) und der Emittentin bestimmt.

Teilweise erstreckten sich die Laufzeiten der vom Kläger ausgereichten Darlehen über die jeweiligen Bilanzstichtage der Streitjahre und waren die Marktwerte der Aktien zu den Bilanzstichtagen niedriger als die Buchwerte zum Zeitpunkt der Darlehensgewährungen. Diese Differenzen betrugen insgesamt ... EUR (2005), ... EUR (2006), ... EUR (2007) und ... EUR (2008). An Leihgebühren für diese Darlehen vereinnahmte der Kläger ... EUR (2005), ... EUR (2006), ... EUR (2007) und ... EUR (2008).

Bei Darlehensbeginn buchte der Kläger die jeweiligen Aktien aus dem Anlage- in das Umlaufvermögen um und erfasste an deren Stelle die Rückübertragungsforderungen aus den Darlehensverträgen im Wege eines...

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