Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
Verzichtet ein Kind gegenüber seinen Eltern auf künftige Pflichtteilsansprüche und erhält es dafür im Gegenzug von den Eltern wiederkehrende Zahlungen, so liegt darin kein entgeltlicher Leistungsaustausch und keine Kapitalüberlassung des Kinds an die Eltern, sodass in den wiederkehrenden Zahlungen auch kein einkommensteuerbarer Zinsanteil enthalten ist.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 7, § 22 Nr. 1 und Nr. 3 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin verzichtete mit notariellem Vertrag auf ihren Pflichtteil beim Tod ihrer Eltern. Das gesetzliche Erbrecht blieb unberührt. Im Gegenzug erhielt sie eine Einmalzahlung von 1 Mio. DM, außerdem die Zusage einer auf Lebenszeit der Klägerin zu erbringende monatlichen Zahlung i.H.d. Grundgehalts eines bayerischen Beamten der Besoldungsgruppe A 13 in der Endstufe. Auf die Einmalzahlung und den mit über 1 Mio. DM ermittelten Kapitalwert der lebenslangen monatlichen Zahlung wurde Schenkungsteuer festgesetzt.
Das FA setzte 65 % der wiederkehrenden Zahlungen als steuerpflichtigen Zinsanteil gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG an.
Das FG erkannte hingegen auf eine nicht steuerbare Unterhaltsrente und gab der Klage statt (FG Nürnberg, Urteil vom 04.04.2006, I 370/2004, Haufe-Index 1604019, EFG 2007, 410).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück. Die wiederkehrenden Zahlungen enthielten keinen steuerpflichtigen Zinsanteil. Die Klägerin habe aufgrund ihres Pflichtteilsverzichts von ihren Eltern einen von vornherein auf wiederkehrende Zahlungen gerichteten Anspruch eingeräumt bekommen, der zudem ersichtlich nach dem dauerhaften Versorgungsbedarf der gesundheitlich beeinträchtigten Klägerin bemessen worden sei. Die Eltern der Klägerin hätten durch die mit ihr getroffene Vereinbarung auch nicht auf andere Weise einen aktiven Vermögenswert zur Nutzung erhalten, den sie nicht vorher bereits gehabt hätten.
Hinweis
1. Wird ein geschuldeter Betrag nicht in einer Summe gezahlt, sondern in Form wiederkehrender Zahlungen zeitlich gestreckt, so geht die Rechtsprechung in vielen Fallgestaltungen davon aus, dass die wiederkehrenden Zahlungen einen Zinsanteil enthalten. Denn wenn der Gläubiger sein Geld nicht sofort bekommt, sondern nur in Form von in die Zukunft verlagerten Teilzahlungen, so ist üblicherweise davon auszugehen, dass die Summe der wiederkehrenden Leistungen insgesamt höher ist als der Betrag der ursprünglichen Schuld, mit anderen Worten: die wiederkehrenden Zahlungen enthalten jeweils einen Zinsanteil. Dieser Zinsanteil führt, weil der Gläubiger seinen Anspruch nicht sofort realisieren kann, sondern sein Geld erst durch in die Zukunft verlagerte Teilzahlungen bekommt und dadurch dem Schuldner Kapital überlässt, zu Einnahmen aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.
2. Anders können sich der wirtschaftliche Hintergrund und damit auch die steuerrechtliche Beurteilung darstellen, wenn nicht ein bestehender Anspruch durch Teilzahlungen zeitlich gestreckt wird, sondern wenn ein Zahlungsanspruch von vornherein unmittelbar in Form von wiederkehrenden Zahlungen entsteht.
a) Die frühere Beurteilung, dass allein aufgrund der äußeren Form der Wiederkehr steuerpflichtige Einnahmen i.S.v. § 22 Nr. 1 EStG vorliegen, ist in der Rechtsprechung seit Längerem überwunden. Die äußere Form der Wiederkehr der Zahlungen vermag für sich allein eine Steuerpflicht nicht zu begründen.
b) Dementsprechend muss jeweils für die einzelnen Fallgestaltungen der wirtschaftliche Gehalt der wiederkehrenden Zahlungen gesondert untersucht werden. Ein steuerpflichtiger Zinsanteil i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG kann in diesen Zahlungen nur dann enthalten sein, wenn der Empfänger der Zahlungen dem Schuldner tatsächlich Kapital überlässt, weil die wiederkehrenden Zahlungen an die Stelle des eigentlich insgesamt sofort geschuldeten Anspruchs treten.
c) Diese Voraussetzungen einer Steuerpflicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG liegen nicht vor, wenn ein Kind gegenüber seinen Eltern auf künftige Pflichtteilsansprüche verzichtet und dafür im Gegenzug von den Eltern wiederkehrende Zahlungen erhält. In diesem Vorgang liegt kein entgeltlicher Leistungsaustausch und keine Kapitalüberlassung des Kinds an die Eltern. Es handelt sich um einen zivilrechtlich und steuerrechtlich unentgeltlichen erbrechtlichen Vorgang. Die Eltern organisieren lediglich die Art und Weise, in der ihr Nachlass auf die Kinder übergehen soll. Sie erhalten von den Kindern nichts, sondern geben nur etwas ab. Konsequenterweise fällt für diesen Vorgang Schenkungsteuer an. Durch die als Abfindung für den Pflichtteilsverzicht eingeräumten wiederkehrenden Zahlungen wird nicht ein in einer Summe bezifferter Anspruch des Kinds verrentet. Vielmehr ist der aufgrund des Pflichtteilsverzichts eingeräumte Anspruch von vornherein in Form wiederkehrender Zahlungen eingeräumt worden.
3. Eine Steuerpflicht der wiederkehrenden Zahlungen ergibt sich auch nicht nach § 22 Nr. 3 EStG. Selbst wenn man den Pflichtteilsverzicht als entgeltlichen Vorgang ansehen wollte, unterläg...