Leitsatz
Das JStG 1997 vom 20.12.1996 ist durch Ausgabe des BGBl am 27.12.1996 verkündet worden.
Normenkette
Art. 82 GG , § 10d EStG , § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO , § 233a Abs. 2a AO , Art. 97 § 15 Abs. 8 EGAO
Sachverhalt
Das FA hatte zunächst Nachzahlungszinsen zur ESt 1995 i.H.v. 335 DM bestandskräftig festgesetzt.
Am 18.3.1998 erließ es auf Antrag der Klägerin einen nach § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG geänderten ESt-Bescheid 1995, mit dem es einen 1996 entstandenen Verlust im Weg des Verlustrücktrags berücksichtigte. Obwohl sich daraus ein Erstattungsbetrag von 61 602 DM ergab, setzte das FA keine Erstattungszinsen fest. Das beantragte die Klägerin daraufhin im Einspruchsverfahren.
Am 27.5.1999 erließ das FA einen weiteren Änderungsbescheid für 1995, mit dem es den Verlustrücktrag erhöhte. Daraus ergab sich ein weiterer Erstattungsbetrag von 20 180 DM. Das FA erhöhte die Nachzahlungszinsen auf 390 DM und wies im Bescheid darauf hin, dass das Einspruchsverfahren fortgesetzt werde.
In der Einspruchsentscheidung nahm das FA die Erhöhung der Nachzahlungszinsen wieder zurück und setzte für den Erstattungsbetrag von 20 180 DM Erstattungszinsen von 1 306,50 DM fest (Zinszeitraum: 1.4.1998 bis 30.5.1999). Für den Erstattungsbetrag von 61 602 DM lehnte es die Festsetzung von Erstattungszinsen ab. Der Zinslauf für diesen Betrag beginne aufgrund der durch das JStG 1997 eingefügten Absätze 2a und 7 des § 233a AO erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Verlust entstanden sei – also am 1.4.1998. Der Erstattungsbetrag sei aber bereits am 18.3.1998 festgesetzt worden.
Das FG wies die Klage auf Festsetzung von Erstattungszinsen i.H.v. 3 388 DM (Zinszeitraum: 1.4.1997 bis 28.2.1998) ab.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück. Hinsichtlich des Erstattungsbetrags von 61 602 DM bestehe kein Anspruch auf Erstattungszinsen.
Nach § 233a Abs. 2a AO beginne der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Verlust entstanden ist – das sei 1996.
Die Anwendung des durch das JStG 1997 eingefügten Absatzes 2a auf den 1996 entstandenen Verlust führe nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Rückwirkung, weil das JStG 1997 noch vor Ablauf des Jahres 1996 in Kraft getreten sei – nämlich mit seiner Verkündung am 27.12.1996.
Hinweis
1. Der Streitfall ist im Zusammenhang zu lesen mit der am gleichen Tag getroffenen Entscheidung des BFH XI R 50/00 (siehe dazu die Besprechung in diesem Heft, Seite 312). Auch hier war der Verlust im Jahr 1996 entstanden und hatte wegen des Rücktrags auf 1995 zu einer Erstattung der ESt 1995 geführt. Damit hätte der Zinslauf für den maßgeblichen Erstattungsbetrag erst 15 Monate nach Ablauf des Jahres 1996 begonnen – also ab 1.4.1998. Der Betrag war aber bereits vorher erstattet worden.
2. Fraglich war somit nur noch, ob die Anwendung der durch das JStG 1997 eingeführten Regelung des § 233a Abs. 2a AO auf einen in 1996 entstandenen Verlust zu einer unzulässigen Rückwirkung führt. Das ist nach der Entscheidung in XI R 50/00 aber nicht der Fall, weil das JStG 1997 noch vor Ablauf des Jahres 1996 in Kraft getreten war.
Den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens legt der BFH in der vorliegenden Entscheidung nun ausführlich und in allgemein gültiger Weise dar. Darin liegt die eigentliche Bedeutung dieses Urteils.
3. Nach Art. 32 Abs. 1 des JStG 1997 sollte dieses am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Die Verkündung eines Gesetzes erfolgt nach Art. 82 GG durch Abdruck im BGBl und dessen Ausgabe. Damit bestimmt die Ausgabe des BGBl den Zeitpunkt der Verkündung.
Ausgegeben wiederum ist das BGBl, wenn es "in Verkehr gebracht" worden ist. Das war am 27.12.1996 der Fall, weil an diesem Tag – wie der BFH durch Anfrage beim Justizminister ermittelt hat – die komplette Auflage des BGBl von 40535 Exemplaren bei der Post eingeliefert worden war.
Damit folgt der BFH ausdrücklich nicht der Auffassung, dass für die Bestimmung des Zeitpunkts der Ausgabe entscheidend sei, wann die Öffentlichkeit die Möglichkeit habe, von dem Gesetz Kenntnis zu nehmen. Vielmehr hält er für ausschlaggebend, wann das Gesetz nicht mehr rückholbar in der Welt ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.3.2002, XI R 81/00