Prof. Dr. Joachim S. Tanski
Rz. 55
Auch das Steuerrecht kennt den Ansatz eines aktuellen Zeitwerts in der Steuerbilanz. Dieser Zeitwert ergibt sich aufgrund einer Abschreibung nach § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG (Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung, AfaA) und ist nicht mit einem Namen belegt. Gegenüber den vorher aufgeführten Zeitwerten ergibt sich die Besonderheit, dass dieser Wert wegen seiner Definition als Abschreibungsergebnis nur zu einem niedrigeren Buchwert, nicht dagegen zu einem höheren Buchwert führen kann. Ob eine AfaA nur für abnutzbare Anlagegüter (wie die Gesetzessystematik vermuten lässt) oder für alle Wirtschaftsgüter zulässig ist, ist weder eindeutig dem Gesetzestext zu entnehmen, noch ist diese Frage in der Rechtsprechung geklärt. M. E. sollte dies zumindest für nicht abnutzbare Anlagegüter (Grundstücke, Gemälde etc.) möglich sein, denn eine AfaA soll eine Wertminderung gerade unabhängig von einer planmäßigen Abschreibung berücksichtigen.
Rz. 56
Für den Ansatz eines niedrigeren Werts gem. § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG müssen technische oder wirtschaftliche Gründe gegeben sein, welche aufgrund ihres außergewöhnlichen Charakters in der planmäßigen Abschreibung nicht berücksichtigt sind. Ist die Wertminderung so gering, dass sie innerhalb des Schätzungsfehlers bei der Ermittlung der planmäßigen Abschreibung liegt, ist regelmäßig nicht der Charakter der Außergewöhnlichkeit gegeben, bzw. eine Abschreibungsnotwendigkeit ist aufgrund von Unwesentlichkeit nicht gegeben.
Rz. 57
Als technische Gründe kommen alle Arten der Zerstörung bzw. Beschädigung oder eines Defektes bzw. Ausfalls (Mangel) eines Wirtschaftsguts in Betracht. Dabei ist der Anlass des Mangels unerheblich, es kann sich u. a. um Natureinwirkungen (z. B. Hagelschlag), Bedienungsfehler oder Eintritt eines sonstigen Risikos (z. B. Bruch ohne ersichtlichen Grund) handeln. Ebenso kommt es nicht auf das Ausmaß des Mangels an.
Rz. 58
Zu den wirtschaftlichen Gründen zählen alle Formen der Nutzungseinschränkung eines Wirtschaftsguts, ohne dass eine Zerstörung bzw. Beschädigung oder ein Defekt bzw. Ausfall gegeben ist. Anlass zu wirtschaftlich bedingter AfaA kann sowohl unternehmensintern als auch unternehmensextern gegeben werden. Aus unternehmensinternen Gründen ist beispielsweise eine Maschine abzuschreiben, wenn diese nach einer Umstellung der Produktpalette nur noch eingeschränkt eingesetzt werden kann. Unternehmensexterne Gründe können durch Modewandel oder durch die Marktfähigkeit verbesserter Produkte gegeben sein. Die Nutzungseinschränkung des Wirtschaftsguts muss dauerhaften Charakter (eine Reversierung der Einschränkung darf nicht absehbar sein) haben.
Rz. 59
Nicht zu den wirtschaftlichen Gründen zählt nach h. M. dagegen eine Wertminderung ausschließlich aufgrund eines sinkenden Marktpreises des Wirtschaftsguts, ohne dass dadurch die Einsatzfähigkeit oder Rentabilität eingeschränkt ist. Auch die Annahme einer sinkenden Rentabilität in der Zukunft soll keinen wirtschaftlichen Grund für eine AfaA bilden.
Rz. 60
Eine weitere Einschränkung bei der Vornahme einer AfaA ergibt sich dadurch, dass die Entstehung eines merkantilen Minderwerts ebenfalls nicht zur Abschreibung nach § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG berechtigt, wohl dagegen aber ggf. zu einer Teilwertabschreibung. Unter dem sog. merkantilen Minderwert versteht die Rechtsprechung des BGH einen Minderwert z. B. bei der Veräußerung eines Kfz, der darauf beruht, dass ein durch einen Unfall erheblich beschädigtes Kfz trotz technisch einwandfreier Reparatur i. d. R. geringer bewertet wird als ein unfallfrei gefahrenes Fahrzeug. Ein derartiger Minderwert nach Durchführung einer technisch fehlerfreien Reparatur rechtfertigt nach Ansicht des BFH keine AfaA. Begründet wird dies damit, dass keine Substanzeinbuße beim Pkw vorliegt und im Hinblick darauf auch die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs nicht eingeschränkt ist. Unbestimmte Zukunftsaussichten (hier zukünftige Minderverkaufserlöse) sollen danach nicht zur Rechtfertigung einer AfaA dienen.
Rz. 61
Die Gründe für eine AfaA müssen zu einer tatsächlichen Wertminderung im Zeitpunkt der Bewertung geführt haben. Führten die Gründe dagegen ausschließlich zu einer Verkürzung der Nutzungsdauer, muss dies durch zukünftig höhere Abschreibungssätze, d. h. durch eine Verkürzung der Restnutzungsdauer, berücksichtigt werden. Jedoch hat dieser Fall überwiegend theoretischen Charakter, da ein Wirtschaftsgut mit einer durch Risikoeintritt verkürzten Restnutzungsdauer regelmäßig auch einen niedrigeren Zeitwert haben wird, sodass der Risikoeintritt zumindest teilweise auch durch eine Abschreibung zu berücksichtigen ist.
Rz. 62
Die Bewertung eines Wirtschaftsguts mit einem sich aufgrund einer AfaA ergebenden Wert ist unabhängig von der Gewinnermittlungsart. Während die Teilwertabschreibung nur bei Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 Abs. 1 EStG und § 5 EStG zulässig ist, darf ein Wertansatz aufgrund des § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG auch bei Gewinnermittlung durch Überschu...