OFD Rheinland, Verfügung v. 20.10.2011, S 2404 a - 1000 - St 222
1. Abstandnahme vom Zinsabschlag gemäß § 44a Abs. 5 EStG bei kommunalen Verkehrs- und Versorgungsunternehmen sowie bei Kreditinstituten ohne eigenes Depotgeschäft
Bei kommunalen Verkehrs- und Versorgungsunternehmen sowie bei Kreditinstituten ohne eigenes Depotgeschäft bitte ich die Auffassung zu vertreten, dass Überbesteuerungssituationen, die bei diesen Unternehmen durch Anrechnung des einzubehaltenden Zinsabschlags und anrechenbarer KSt entstehen, nicht in der Art der Geschäfte dieser Unternehmen begründet sind.
Bei Verkehrsbetrieben ist die Verlustsituation vielmehr nach bundeseinheitlich abgestimmter Auffassung in der Person der Gesellschafter begründet.
Nach § 43 Abs. 2 EStG ist die auszahlende Stelle nicht zur Einbehaltung von KapESt verpflichtet, wenn sie zugleich Gläubigerin der Kapitalerträge ist.
Bei Kreditinstituten, die ihre eigenen Wertpapierbestände nicht selbst verwahren, also insoweit nicht „auszahlende Stelle” sind, kann die Nichtanwendbarkeit des § 43 Abs. 2 Satz 1 EStG zu einer dauernden Überbesteuerung führen. Die Verwahrung der eigenen Wertpapierbestände stellt hier eine Besonderheit des Geschäftsgebarens dar, die nicht auf die Art der Geschäfte dieses Unternehmens zurückzuführen ist.
In den vorgenannten Fällen ist daher die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG zu versagen.
2. Anwendung des § 44a Abs. 5 EStG bei Vorliegen einer Organschaft i.S. des § 14 KStG
Erzielt eine Organgesellschaft wegen eines Gewinnabführungsvertrages keine Gewinne, beruht die Überbesteuerung auf einer individuellen rechtlichen Gestaltung. Es liegt keine Überbesteuerungssituation aufgrund der Art der Geschäfte vor.
Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen erfüllen grundsätzlich aufgrund der Art ihrer Geschäfte die Voraussetzungen des § 44a Abs. 5 Satz 1 EStG, so dass ihnen eine sog. Dauerüberzahlerbescheinigung erteilt werden kann.
Gem. § 44a Abs. 5 Satz 2 EStG kann für Versicherungsgesellschaften eine Dauerüberzahlerbescheinigung auch im Falle eines Organschaftsverhältnisses ausgestellt werden, wenn bezogen auf den gesamten Organkreis die anzurechnenden Steuern höher sind, als die für den Organkreis festzusetzende Körperschaftsteuer.
Für die Prüfung, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, wird auf die Verhältnisse der dem Zeitpunkt des Antrags auf Erteilung der Bescheinigung vorangegangenen 3 Jahre abgestellt. Dabei kann die anrechenbare Kapitalertragsteuer des Versicherungsunternehmens durch Schätzung auf der Basis der Kapitalerträge ermittelt werden, wenn aufgrund einer bisher vorliegenden Dauerüberzahlerbescheinigung bei dem Versicherungsunternehmen in den zu betrachtenden Zeiträumen tatsächlich keine Kapitalertragsteuer einbehalten worden ist.
Wird ein Organschaftsverhältnis neu begründet, kommt es auf die Verhältnisse der einzelnen Gesellschaften an, die in den Organkreis einbezogen werden sollen. Aus Vereinfachungsgründen kann in diesen Fällen auf die Angaben zur Festsetzung von Vorauszahlungen beim Organträger abgestellt werden (BT-Drs. 16/11108 S. 21).
3. Freistellung vom Steuerabzug nach § 44a Abs. 5 EStG bei Holdinggesellschaften
Nach § 44a Abs. 5 EStG ist ein Kapitalertragsteuerabzug bei Kapitalerträgen i.S. des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und 8 EStG sowie Satz 2 nicht vorzunehmen, wenn die Kapitalerträge Betriebseinnahmen des Gläubigers sind und die Kapitalertragsteuer bei ihm aufgrund der Art seiner Geschäfte auf Dauer höher wäre als die gesamte festzusetzende Körperschaftsteuer.
Aufgrund des § 8b KStG erfüllen Holdingunternehmen in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften die Voraussetzungen des § 44a Abs. 5 EStG, wenn ihre Einkünfte fast ausschließlich aus steuerfreien Beteiligungseinkünften stammen. Andere steuerpflichtige Erträge in geringem Umfang, z.B. Zinseinnahmen, stehen der Erteilung einer Bescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG nicht entgegen.
Gesellschaften i.S. des § 8b Abs. 7 KStG (Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen i.S. des Gesetzes über das Kreditwesen) haben keinen Anspruch auf die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG.
Normenkette
EStG § 44a Abs. 5