Leitsatz
Schuldzinsen, die der Erwerber eines zum Vermieten bestimmten Grundstücks vereinbarungsgemäß für den Zeitraum nach dem Übergang von Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahren bis zur später eintretenden Fälligkeit des Kaufpreises an den Veräußerer erstattet, sind als Werbungskosten abziehbar.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nrn. 1 und 7 EStG , § 255 Abs. 1 HGB
Sachverhalt
Die GbR erwarb ein zur Vermietung bestimmtes Grundstück, das am 1.11.1991 auf sie überging. Der Kaufpreis war am 31.10.1991 fällig, frühestens jedoch nach Zugang der schriftlichen Mitteilung des Notars u.a. über das Vorliegen erforderlicher Genehmigungen, Bescheinigungen, Löschungsbewilligungen sowie über die Eintragung der Auflassungsvormerkung. Auf die erst im Dezember 1991 erfolgende Mitteilung wurde der Kaufpreis fällig gestellt und entrichtet. Nach dem Kaufvertrag war der Kaufpreis bereits ab 1.11.1991 zu verzinsen. Diese Zinsbeträge zog die GbR in den Streitjahren als Werbungskosten bei der Ermittlung ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ab.
Das FA ging hingegen davon aus, dass der Kaufpreis erst am 22.12.1991 fällig geworden sei, und berücksichtigte lediglich die seit diesem Zeitpunkt entstandenen Schuldzinsen als Werbungskosten. Den restlichen Zinsbetrag (72.267 DM) rechnete es den Anschaffungskosten zu. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Mit der Revision rügt die GbR die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH sind die Schuldzinsen als Werbungskosten sofort abziehbar, da die Abgrenzung zwischen Anschaffungskosten und sofort abziehbaren Werbungskosten nicht bürgerlich-rechtlich, sondern wirtschaftlich vorzunehmen sei und deshalb unerheblich bleibe, ob die Kreditierung des Kaufpreises durch den Veräußerer in Form einer verzinslichen Stundung oder eines verzinslichen Aufschubs der Fälligkeit wie im Streitfall geschehe.
Hinweis
1. Zinsen, die der Veräußerer eines Wirtschaftsguts einem Erwerber in Rechnung stellt, können je nach der Gestaltung der vertraglichen Geschäftsbeziehungen im Einzelfall beim Erwerber nur im Rahmen der AfA zu berücksichtigende Anschaffungskosten des Gebäudes oder – als eigene Finanzierungskosten – sofort abziehbare Werbungskosten darstellen.
Die Zuordnung ist nicht nach bürgerlich-rechtlichen, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmen. Die Zinszahlungen müssen danach bei wirtschaftlicher Betrachtung Vergütung für die Überlassung von Kapital zur Finanzierung der Anschaffungskosten und nicht Aufwendungen des Veräußerers für seine eigene Baukostenfinanzierung sein; Letztere gehen nämlich in der Regel in seine Selbstkosten ein und sind für den Erwerber Anschaffungskosten.
Die Rechtsprechung des BFH hat bisher Schuldzinsen dann zu den Anschaffungskosten gerechnet, wenn sie vor Übergabe eines Wirtschaftsguts, insbesondere einer Immobilie, an den Erwerber entstanden sind.
2. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann es für die sofortige Abziehbarkeit der Werbungskosten nicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit des Kaufpreises ankommen, da auch vor Fälligkeit des Kaufpreises geleistete Geldbeschaffungskosten und Bereitstellungszinsen Werbungskosten sind. Die Besonderheit des Streitfalls liegt darin, dass anders als in den bisherigen Fällen Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahr des erworbenen Grundstücks bereits auf die GbR übergegangen waren und die strittigen Zinsen auf den Zeitraum danach entfallen, in dem die Zahlung des Kaufpreises zunächst aufgeschoben blieb. Aufgrund dieser Besonderheiten sind die strittigen Zinsen als sofort abziehbare Werbungskosten der Klägerin zu beurteilen, weil sie – wirtschaftlich betrachtet – für die faktische Kreditierung des grundsätzlich bei Gefahrübergang fälligen Kaufpreises durch die Veräußerin geschuldet waren.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 27.7.2004, IX R 32/01