Prof. Dr. Lutz Richter, Prof. Dr. Stephan Meyering
Rz. 5
Nachstehend ist sich der Frage zu widmen, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen Zinsen als Bestandteil der Anschaffungskosten gem. § 255 Abs. 1 HGB zu klassifizieren sind. Laut Satz 1 dieser Rechtsvorschrift bilden "Anschaffungskosten […] die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können." Zu den Anschaffungskosten gehören insbesondere der Anschaffungspreis und die Anschaffungsnebenkosten, d. h. alle Aufwendungen, soweit diese dem Vermögensgegenstand einzeln zuordenbar sind (also keine Gemeinkosten!), wie z. B. Gebühren für die Beurkundung eines Kaufvertrags, Vermittlungsgebühren und die Grunderwerbsteuer.
Rz. 6
Zweifelsohne besteht für Zinsaufwendungen im Falle einer projektbezogenen Finanzierung des Vermögensgegenstands die Möglichkeit einer gesetzeskonformen Zuordnung, d. h. Zinsen können im Hinblick auf die Bezugsgröße "Vermögensgegenstand" als Einzelkosten klassifiziert werden. Darüber hinaus gilt es die Zinsaufwendungen zeitlich abzugrenzen, was durch den Wortlaut der Versetzung "in einen betriebsbereiten Zustand" zum Ausdruck gelangt. Allerdings findet eine Aktivierung von Zinsen für Fremdkapital im Rahmen der Anschaffungsnebenkosten regelmäßig nicht statt, weil die Finanzierung als vom Anschaffungsvorgang separat anzusehendes Geschäft nur mittelbar (und nicht unmittelbar) der Anschaffung (als Investitionsvorgang) dient.
Rz. 7
Zum Teil wird ausnahmsweise eine entsprechende Aktivierungspflicht vertreten, falls das Fremdkapital zur Finanzierung der Anschaffung von Anlagen mit längerer Bauzeit in Form von Anzahlungen oder Vorauszahlungen dient. Dieser Gedankengang basiert auf der Substitution des ansonsten durch den Lieferanten aufzunehmenden Fremdkapitals durch Fremdkapital, das vom Erwerber aufgenommen wurde und den vom Lieferanten dem Erwerber in Rechnung zu stellenden Anschaffungspreis des betreffenden Vermögensgegenstands insofern "vermindert". Dem wird – wie oben ausgeführt – entgegnet, dass die Anzahlung einen vom anzuschaffenden Vermögensgegenstand zu unterscheidenden Vermögensgegenstand finanziert, da es sich bei den Zinsaufwendungen um Anschaffungskosten für einen Kredit handelt.
Rz. 8
Zinsen aber, die dem Lieferanten als Kreditnehmer für aufgenommenes Fremdkapital entstehen und die über den Preis auf den Erwerber überwälzt werden, bilden bei Letzterem stets (als Einzelkosten) einen Bestandteil des Anschaffungspreises.
Rz. 9
Beim Erwerb von Grundvermögen gehören auch die Zinsen zur Grunderwerbsteuer zu den Anschaffungsnebenkosten.
Rz. 10
Keine Zinsen stellen in Anspruch genommene Skonti dar, die gem. § 255 Abs. 1 Satz 3 HGB als Anschaffungspreisminderungen die Anschaffungskosten reduzieren und in der Gewinn- und Verlustrechnung von den Umsatzerlösen in Abzug zu bringen sind (§ 277 Abs. 1 HGB).