Prof. Dr. Lutz Richter, Prof. Dr. Stephan Meyering
Rz. 36
Die Zinsschranke wurde im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 als eine Gegenfinanzierungsmaßnahme eingeführt, um den steuerlichen Zinsabzug auf Ebene des Zinsschuldners unter bestimmten Voraussetzungen zu begrenzen.
Mittlerweile verkörpert die Zinsschranke nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene ein Instrument zur Abwehr von Steuermissbrauch; durch die ATAD (Anti Tax Avoidance Directive) war die Zinsschranke innerhalb der Steuersysteme sämtlicher EU-Mitgliedstaaten umzusetzen und ist dort mit Wirkung vom 1.1.2019 (spätestens) anzuwenden.
Rz. 37
Zudem wurde durch die Zinsschranke § 8a KStG ersetzt, der ursprünglich Vergütungen für Fremdkapital unter bestimmten Voraussetzungen in verdeckte Gewinnausschüttungen umqualifizierte. Dadurch, dass der gesamte Zinsaufwand eines Unternehmens erfasst wird, geht der Anwendungsbereich deutlich über den der ursprünglich gesetzgeberisch intendierten Gesellschafter-Fremdfinanzierung hinaus.
Materiell gilt § 4h EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG auch für Kapitalgesellschaften, wobei § 8a Abs. 3 KStG eine Besonderheit im Rahmen der Excape-Klausel des Eigenkapitalvergleichs vorsieht (Rz. 41).
3.3.2.2.1 Überblick
Rz. 38
Konzeptionell fokussiert die Zinsschranke die Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen von prinzipiell konzerngebundenen Unternehmen. Jener Adressatenkreis wurde durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz insofern erweitert, als nunmehr Steuerpflichtige erfasst werden, die einer Person i. S. v. § 1 Abs. 2 AStG nahestehen – hier sind Beteiligungen von mindestens 25 % denkbar – bzw. über eine ausländische Betriebstätte verfügen (Umkehrschluss aus § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchstabe b EStG). Die Zinsschranke ist folgendermaßen ausgestaltet: Unbeschränkt können Zinsaufwendungen nur bis zur Höhe der Zinserträge desselben Wirtschaftsjahrs abgezogen werden (§ 4h Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz EStG). Übersteigen die Zinsaufwendungen die -erträge, ist der verbleibende Saldo aus Zinsaufwendungen und -erträgen (Nettozinsaufwand) nur bis zur Höhe des verrechenbaren EBITDA (Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization) sofort steuerlich abzugsfähig (§ 4h Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz EStG). Das verrechenbare EBITDA ist definiert als 30 % des Gewinns vor Abschreibungen, Zinsen und Steuern (§ 4h Abs. 1 Satz 2 EStG).
Rz. 39
Verbleibende Zinsaufwendungen, die unter Berücksichtigung der Ausführungen in Rz. 38 nicht abgezogen werden dürfen, sind darüber hinaus bis zur Höhe der EBITDA-Vorträge der fünf vorangegangenen Wirtschaftsjahre abziehbar und mindern die EBITDA-Vorträge in ihrer zeitlichen Reihenfolge, d. h. nach dem FiFo-Prinzip (§ 4h Abs. 1 Satz 4 EStG). Ein EBITDA-Vortrag entsteht durch die positive Differenz zwischen verrechenbarem EBITDA einserseits sowie Nettozinsaufwendungen andererseits (§ 4h Abs. 1 Satz 3 EStG) Danach verbleibende Zinsaufwendungen sind in die nachfolgenden Wirtschaftsjahre als sogenannter Zinsvortrag zeitlich unbeschränkt vorzutragen (§ 4h Abs. 1 Satz 5 EStG). Dementsprechend erhöhen sie die Zinsaufwendungen dieser Jahre, wirken sich aber nicht auf den für den Zinsabzug maßgeblichen Gewinn aus, d. h. sie erhöhen nicht das verrechenbare EBITDA (§ 4h Abs. 1 Satz 6 EStG).
Rz. 40
Von der Anwendung dieser Grundkonzeption gibt es – neben dem Konzept der "nahestehenden Person" – zwei weitere Escape-Klauseln: Beträgt der Nettozinsaufwand weniger als 3 Mio. EUR, erfolgt keine Abzugsbeschränkung der Zinsaufwendungen (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchstabe a EStG). Hierbei handelt es sich um eine Freigrenze, d. h. wird die Grenze erreicht bzw. überschritten, unterliegt der Zinsaufwand in voller Höhe dem Anwendungsbereich der Zinsschranke.
Die Rechtsfolgen der Zinsschranke können außerdem vermieden werden, wenn in einem Eigenkapitalvergleich nachgewiesen wird, dass die Eigenkapitalquote des jeweiligen Unternehmens (das Steuerrecht spricht hier von einem "Betrieb") am Schluss des vorangegangenen Abschlussstichtages gleich hoch oder höher ist als die des Konzerns (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchstabe c Satz 1 EStG). Im Rahmen dieser Klausel ist es unschädlich, wenn die Eigenkapitalquote des Konzerns um bis zu zwei Prozentpunkte unterschritten wird (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchstabe c Satz 2 EStG).
Rz. 41
Wie bereits angedeutet, sieht § 8a Abs. 3 KStG eine Anwendung der Excape-Klausel des Eigenkapitalvergleichs nur dann vor, falls die Zinsaufwendungen insbesondere an zu mindestens 25 % beteililgte Gesellschafter einer konzernzugehörigen Gesellschaft bzw. diesen nahestehende Personen rechtsträgerbezogen nicht mehr als 10 % der die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen des Rechtsträgers betragen, d. h. die Anwendung der Escape-Klausel ist an die Voraussetzung geknüpft, dass kein dem Konzern zugehöriger Rechtsträger eine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung durchgeführt hat.
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