Prof. Dr. Lutz Richter, Prof. Dr. Stephan Meyering
Rz. 45a
Nach § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG sind Schuldzinsen unter den Voraussetzungen der Sätze 2-6 steuerlich nicht abzugsfähig, wenn Überentnahmen getätigt werden, d. h. wenn die Entnahmen die Summe aus Gewinn und Einlagen übersteigen (sog. Eigenkapitalmodell). Liegt keine Überentnahme vor, sind die Zinsen in vollem Umfang steuerlich abzugsfähig.
Diese Regelung folgt dem Grundsatz, dass der Steuerpflichtige mit Fremdkapital keine Entnahmen finanzieren darf. Dementsprechend wird bei Überentnahmen fingiert, dass die Fremdfinanzierung der Überentnahmen grundsätzlich nicht betrieblich veranlasst ist. Dies gilt aber nur für betrieblich veranlasste Zinsen; private Schuldzinsen sind von vornherein nicht steuerlich abziehbar (Rz. 45c).
Die Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG gilt mangels Rückverweis in § 9 Abs. 5 EStG nicht für den Bereich der Werbungskosten.
Satz 2 definiert die Überentnahmen als den Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahrs übersteigen. Nach Satz 3 werden die nicht abziehbaren Schuldzinsen typisierend mit 6 % der Überentnahmen bestimmt; dabei sind die Über-/Unterentnahmen aus den vorangegangenen Wirtschaftsjahren fortzuschreiben. Satz 4 sieht einen Mindestbetrag von 2.050 EUR vor, der in jedem Fall abziehbar ist (Freibetrag). Nach Satz 5 bleiben Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens unberührt. Satz 6 ordnet die entsprechende Anwendung der Regelung auf die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG an; hierbei sind Einnahmen und Entnahmen gesondert aufzuzeichnen.
Die Vorschrift verstößt nicht gegen das Nettoprinzip, da sie an Überentnahmen und damit privater Veranlassung anknüpft; sie ist auch hinreichend bestimmt.
Da der Gesetzgeber grundsätzlich zu solch einer Typisierung befugt ist, bestehen auch keine Bedenken, dass ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Entnahmezeitpunkt 6 % der Überentnahme nicht als Betriebsausgabe abziehbar ist. Das gilt auch für die Nichteinbeziehung der Überschusseinkünfte.
Ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich ist die Privilegierung des betrieblichen Anlagevermögens in § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG gegenüber dem Umlaufvermögen.
3.3.2.3.1 Betrieblich veranlasste Schuldzinsen
Rz. 45b
Schuldzinsen i. S. d. § 4 Abs. 4a EStG sind alle Aufwendungen zur Erlangung wie Sicherung des Kredits, Nebenkosten der Darlehensbeschaffung sowie Geldbeschaffungskosten. Hierzu gehören auch Nachzahlungs-, Aussetzungs- und Stundungszinsen i. S. d. AO.
Rz. 45c
Nur betrieblich veranlasste Schuldzinsen, die dem Grunde nach als Betriebsausgaben abziehbar wären, unterliegen im Falle der Überentnahme im Umfang von 6 % dem Abzugsverbot. Es ist somit zunächst zu prüfen, ob und inwieweit Schuldzinsen betrieblich veranlasst sind (zweistufige Prüfung). Die zweistufige Prüfung gilt auch für Zinsaufwendungen bis 2.050 EUR, also innerhalb der Grenze des Freibetrags, da dieser nur für betrieblich veranlasste Schuldzinsen Anwendung findet.
Bei der Prüfung entscheidet die Verwendung der Darlehensmittel über ihren Charakter, sodass eine betriebliche Schuld nur dann entstehen kann, wenn die Darlehensmittel für betriebliche Zwecke genutzt werden. Folglich können nur aus einer Betriebsschuld steuerlich abziehbare Schuldzinsen entstehen. Darlehen zur Finanzierung außerbetrieblicher Zwecke, insbesondere zur Finanzierung von Entnahmen, sind dagegen generell nicht betrieblich veranlasst.
Im Falle eines gemischten Kontokorrentkontos sind die Zinsen nach der Zinsstaffelmethode in betrieblich und privat veranlasste Zinsen aufzuteilen. Unterhält der Steuerpflichtige ein Zweikontenmodell, sind die Zinsen auf dem Betriebsausgabenkonto ausschließlich betrieblich veranlasst.
3.3.2.3.2 Der Begriff der Überentnahme
Rz. 45d
Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen übersteigen. Die Vorschrift tr...