Leitsatz
Die berufliche Veranlassung eines Darlehens wird nicht zwingend dadurch ausgeschlossen, dass der Darlehensvertrag mit dem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer der Arbeitgeberin (GmbH) statt mit der insolvenzbedrohten GmbH geschlossen worden und die Darlehensvaluta an diesen geflossen ist. Maßgeblich sind der berufliche Veranlassungszusammenhang und der damit verbundene konkrete Verwendungszweck des Darlehens.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 Satz 2, § 17, § 19, § 20 Abs. 3 EStG, § 60 Abs. 1 GmbHG
Sachverhalt
Der Kläger war bis März 1997 als Baustellenleiter bei einer GmbH beschäftigt. B war deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer. Im Rahmen einer Betriebsaufspaltung hatte die GmbH die Funktion des Betriebsunternehmens; Besitzunternehmen war die Einzelfirma Y.
Im Juni 1996 hatte der Kläger mit B einen Darlehensvertrag geschlossen. Danach gewährte der Kläger dem B ein Darlehen i.H.v. 50 000 DM, das nach einem Jahr wieder zurückgezahlt werden sollte. Der mit 5 % zu verzinsende Darlehensbetrag wurde B auf ein Privatkonto überwiesen. Dieser verwendete (zumindest) einen Teilbetrag i.H.v. 30 000 DM für die GmbH.
Im Februar 1997 lehnte das zuständige Amtsgericht die Eröffnung der Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH als auch der Einzelfirma Y mangels Masse ab.
In seiner ESt-Erklärung für 1997 machte der Kläger einen Darlehensbetrag i.H.v. 50 000 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. Er habe das Darlehen aus beruflichen Gründen zur Sicherung seines Arbeitsplatzes hingegeben. Hierbei berief er sich auf eine Bestätigung des B, wonach das Darlehen zur Begleichung betrieblicher Verbindlichkeiten der GmbH und der Einzelfirma Y verwendet wurde.
Das FA lehnte den begehrten Werbungskostenabzug ab. Es vertrat die Auffassung, zur Sicherung seines Arbeitsplatzes hätte das Darlehen nicht B persönlich, sondern der GmbH gewährt werden müssen. Die Klage blieb erfolglos.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Es seien die genauen Umstände der Darlehenshingabe und der damit vom Kläger verfolgte Zweck weiter aufzuklären und zu prüfen. Das FG habe als Tatsachengericht der Frage nachzugehen, ob hinreichende Indizien für eine berufliche Veranlassung der Darlehenshingabe vorlägen. Im Rahmen der gebotenen Sachverhaltsaufklärung sei auch eine Vernehmung des B und ggf. auch des Klägers zu erwägen.
Hinweis
1. Das Besprechungsurteil enthält eine -- für die Praxis hilfsreiche -- Zusammenfassung der Grundsätze, unter welchen Voraussetzungen der Verlust einer Darlehensforderung eines Arbeitnehmers unter die Vorschrift des § 20 EStG (als steuerlich unbeachtlicher Vermögensverlust) oder des § 19 EStG (als berücksichtigungsfähiger Erwerbsaufwand) zu subsumieren ist.
2. § 20 Abs. 3 EStG (jetzt § 20 Abs. 8) enthält eine nur begrenzte Kollisionsregelung. Danach sind Einkünfte aus Kapitalvermögen den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen, wenn sie zu diesen Einkünften gehören. Für die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit fehlt eine entsprechende Kollisionsregelung. Deshalb ist nach ständiger Rechtsprechung bei der Zuordnung von Erwerbsaufwendungen zu § 19 EStG oder zu § 20 EStG maßgebend, welche Einkunftsart im Vordergrund steht.
3. Der Verlust einer Darlehensforderung ist als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit dann zu berücksichtigen, wenn der Arbeitnehmer das Risiko des Darlehensverlusts aus beruflichen Gründen bewusst auf sich nimmt. Indiz für die Annahme beruflicher Gründe ist, dass ein Außenstehender (insbesondere eine Bank) mit Rücksicht auf die Gefährdung der Darlehensforderung das Darlehen nicht gewährt hätte.
Kann dies bejaht werden, müssen jedoch nicht stets berufliche Gründe angenommen werden. Ob im konkreten Einzelfall berufliche Gründe vorliegen, kann vielmehr nur nach Abwägung aller Umstände entschieden werden. Dabei kann ein beruflicher Grund für die Übernahme des Risikos des Darlehensverlusts dann bejaht werden, wenn der Arbeitnehmer nahezu ausschließlich die Sicherung seines bestehenden oder die Erlangung eines höherwertigen Arbeitsplatzes erstrebt. Andererseits steht der Annahme einer beruflichen Veranlassung nicht entgegen, dass im Rahmen der Darlehensgewährung eine normale Zinshöhe vereinbart war. Denn auch der wirtschaftliche Verlust einer Darlehensforderung, die normalverzinslich ist, ist ausnahmsweise dann nicht im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen zu würdigen, sondern bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zu berücksichtigen, wenn mit der Darlehensgewährung der Verlust des Kapitals bewusst aus solchen Gründen riskiert wird, die in der beruflichen Sphäre des Arbeitnehmers liegen. Zweifel an der beruflichen Veranlassung gehen zulasten des den Werbungskostenabzug begehrenden Arbeitnehmers.
4. Der Darlehensverlust ist in demjenigen Jahr zu berücksichtige...