Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
1. Beauftragt die für die Besteuerung zuständige Finanzbehörde eine andere Finanzbehörde mit der Außenprüfung (§ 195 Satz 2 AO), so darf die beauftragte Finanzbehörde anstelle der an sich zuständigen Finanzbehörde die Außenprüfung durchführen und ist zum Erlass der Prüfungsanordnung befugt, aus der sich die Ermessenserwägungen auch für den Auftrag ergeben müssen.
2. Eine Prüfungsanordnung kann durch eine neue Prüfungsanordnung in Bezug auf den zu prüfenden Steuerpflichtigen, den Prüfungsgegenstand und den Prüfungszeitraum nach § 130 Abs. 1 AO teilweise zurückgenommen werden.
Normenkette
§§ 126, 130, 132, 195 AO, §§ 13 ff. BpO
Sachverhalt
Dieser Fall lebt nur durch seinen Sachverhalt: Im November 2009 bat das beklagte (Konzern-)FA L das Wohnsitzfinanzamt der Frau A – das FA W – um die Befugnisse zum Erlass einer Prüfungsanordnung und zur Durchführung der sich anschließenden Außenprüfung. Das beklagte FA begründete dies damit, dass bei dem A-Konzern eine Außenprüfung durchgeführt werde (Prüfungszeitraum 2001 bis 2004). Zum Konzernbereich gehöre "nachstehendes Unternehmen: Eheleute"... A in I. Unter Hinweis auf die §§ 13 ff. BpO sei es zweckmäßig, dieses Unternehmen von L aus zu prüfen, weil sich dort die Buchführung und die Auskunftspersonen befänden. Es drohe die Verjährung des Prüfungszeitraums 2002. In der Tat vermietete Frau A einem Konzernunternehmen Räumlichkeiten.
Noch im November 2009 teilte das FA W dem beklagten FA L mit, es übertrage ihm die Befugnis zur Anordnung und Durchführung einer Außenprüfung bei Frau A gem. § 195 Satz 2 AO und § 5 Abs. 1 Satz 1 BpO. Der Prüfungszeitraum solle die Jahre 2001 bis 2004 betreffen. Dies geschah, nachdem das FG mit Urteil vom 18.3.2009 (4 K 91/07) eine Prüfungsanordnung des beklagten FA aus dem Jahr 2006 für die Jahre 2001 bis 2004 mangels örtlicher Zuständigkeit des beklagten FA aufgehoben hatte. Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das FG-Urteil wies der BFH mit Beschluss vom 14.1.2010 (VIII B 104/09, BFH/NV 2010, 605) zurück.
Mit Prüfungsanordnung vom 1.12.2009 ordnete das beklagte FA gegenüber der Frau A die Durchführung einer Außenprüfung an. Die Prüfungsanordnung stützte sich auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO i.V.m. §§ 194 bis 196 AO, gab als Prüfungsgegenstand "Einkommensteuer einschließlich gesonderter Feststellungen 2002 – 2004" an und führte zur Begründung u.a. aus, das beklagte FA sei vom zuständigen FA (FA W) mit der Prüfung beauftragt; die Prüfung erfolge im Zusammenhang mit der laufenden Außenprüfung der Firmengruppe A.
Hiergegen richtete Frau A ihre Rechtsmittel, die sie wegen des Bestehens einer weiteren, noch nicht bestandskräftig aufgehobenen Prüfungsanordnung (der Prüfungsanordnung aus dem Jahre 2006) auf die Nichtigkeit der streitigen Prüfungsanordnung, jedenfalls aber wegen Verstoßes gegen § 195 Satz 2 AO auf deren Rechtswidrigkeit stützte. Sie hatte damit vor dem FG Erfolg. Jedenfalls sei die Prüfungsanordnung ermessensfehlerhaft und deshalb rechtswidrig. Sie lasse nämlich in Verbindung mit der Einspruchsentscheidung nicht erkennen, welche konkrete unternehmerische Betätigung der Frau A nach Auffassung des beklagten FA den Grund für die Erteilung des Prüfungsauftrags bilde und weshalb diese unternehmerische Betätigung einen Konzernbezug aufweise. Wenn ausgeführt werde, zum Konzernbereich gehöre nachstehendes Unternehmen "Eheleute ...", suggeriere dies ein gemeinsames Unternehmen der Eheleute, das es aber nicht gebe. So gehe das beklagte FA in seiner Einspruchsentscheidung selbst von separaten Unternehmen der Eheleute aus.
Entscheidung
Diese Erwägungen waren schlicht falsch, wie sich aus den Praxis-Hinweisen ergibt. Deshalb hatte die Revision des FA Erfolg und das Urteil wurde aufgehoben. Aber der BFH hat auch zur Sache selbst entschieden. Er hat die Klage abgewiesen. Dazu musste er sich noch mit dem Nichtigkeitsargument auseinandersetzen.
Ist die angefochtene Prüfungsanordnung, gerichtet an Frau A, deshalb nichtig, weil schon eine Prüfungsanordnung, gerichtet an das Ehepaar A, bestand? Der BFH hat auch diese Frage verneint und konnte darüber entscheiden, weil die Tatsachen insgesamt festgestellt waren.
Die hier streitige Prüfungsanordnung ist nämlich die alleinige Ermächtigung zur Prüfung der Frau A durch das beklagte FA. Sie trat mit ihrem Erlass an die Stelle der Prüfungsanordnung aus dem Jahr 2006, die zunächst vom FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.1.2012, 4 K 3249/10, Haufe-Index 3056959) mangels Zuständigkeit des beklagten FA aufgehoben und schließlich vom beklagten FA nach § 132 AO i.V.m. § 130 Abs. 1 AO (das Verfahren über die NZB lief noch!) zugunsten der nunmehr erlassenen, hier streitigen Prüfungsanordnung jedenfalls teilweise, soweit sie Frau A betraf, zurückgenommen worden war. Dies gilt, obschon die hier streitige Prüfungsanordnung "neben die Prüfungsanordnung an die Eheleute" A treten sollte. Das hat der BFH so verstanden, dass die Prüfung der Frau A mit der streitigen Prüfungsanordnung auf eine neue Grundlage gestellt werden sollte....