Leitsatz
Die in einer Großküche eines Altenwohn- und Pflegeheims zur Verpflegung der Bewohner zubereiteten Speisen sind keine "Standardspeisen" als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungsvorgänge nach Art eines Imbissstands, sodass deren Abgabe zu festen Zeitpunkten in Warmhaltebehältern keine Lieferung, sondern eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung ist.
Normenkette
§ 3 Abs. 1 und 9, § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1999, Art. 5 und 6 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Eine GmbH bereitete in Großküchen von Altenwohn- und Pflegeheimen Speisen nach den Speiseplanvorgaben des Bestellers mit eigenem Personal und eigener Kücheneinrichtung für die Heimbewohner zu, die dann in Warmhaltebehältnissen unportioniert auf die einzelnen Stationen der Heime transportiert und dort – von anderen Personen – verteilt wurden. Das FA, bestätigt vom FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 25.9.2009, 1 K 977/06 U, Haufe-Index 2286024, EFG 2010, 449), versagte den ermäßigten Steuersatz.
Entscheidung
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Werden nach einem Speiseplan geplante Speisen zu bestimmten Zeitpunkten in Warmhalte-"Großgebinden" abgegeben, liegen keine Standardspeisen vor, die die Beurteilung als Lieferung rechtfertigen. Dass keine weiteren Dienstleistungen erbracht wurden, war unerheblich.
Hinweis
1. Grundlage für die Entscheidung, ob die Abgabe von Speisen eine Lieferung oder eine sonstige Leistung ist, sind die Grundsätze des EuGH-Urteils vom 10.3.2011, C-497/09Bog u.a. (BFH/NV 2011, 956; BFH/PR 2011, 184), der u.a. danach abgegrenzt hatte, ob es sich um die Abgabe von Standardspeisen handelt, und sich "die Zubereitung des warmen Endprodukts im Wesentlichen auf einfache, standardisierte Handlungen beschränkt, die in den meisten Fällen nicht auf Bestellung eines bestimmten Kunden, sondern entsprechend der allgemein vorhersehbaren Nachfrage ständig oder in Abständen vorgenommen werden". Vor der EuGH-Entscheidung hatte der BFH danach entschieden, ob zusätzlich zur Zubereitung einer Mahlzeit auch noch andere Dienstleistungen hinzukommen (Lieferung von Besteck, Geschirr, Servieren, Abräumen etc.). Nunmehr kommt es für die Beurteilung zunächst darauf an, ob lediglich Standardspeisen mit den zuvor genannten Kriterien vorlagen. Ist dies nicht der Fall, scheidet eine Beurteilung als Lieferung aus.
2. Wer Abnehmer der Speisen ist, ist dabei unerheblich. Dass die Versagung des ermäßigten Steuersatzes daher Schüler oder Pflegebedürftige betrifft, ist hinzunehmen, weil sich für eine – wenn auch wünschenswerte – Unterscheidung nach dem Leistungsempfänger im UStG kein Anhaltspunkt findet.
3. Ab dem 1.7.2011 ist Art. 6 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur RL 2006/112/EG (MwSt-DVO) zu beachten. Die DVO enthält keine Unterscheidung nach der Komplexität der Speisenzubereitung. "(1) Als Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen gelten die Abgabe zubereiteter oder nicht zubereiteter Speisen und/oder Getränke, zusammen mit ausreichenden unterstützenden Dienstleistungen, die deren sofortigen Verzehr ermöglichen. Die Abgabe von Speisen und/oder Getränken ist nur eine Komponente der gesamten Leistung, bei der der Dienstleistungsanteil überwiegt. Restaurantdienstleistungen sind die Erbringung solcher Dienstleistungen in den Räumlichkeiten des Dienstleistungserbringers und Verpflegungsdienstleistungen sind die Erbringung solcher Dienstleistungen an einem anderen Ort als den Räumlichkeiten des Dienstleistungserbringers. (2) Die Abgabe von zubereiteten oder nicht zubereiteten Speisen und/oder Getränken mit oder ohne Beförderung, jedoch ohne andere unterstützende Dienstleistungen, gilt nicht als Restaurant- oder Verpflegungsdienstleistung i.S.d. Absatzes."
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.10.2011 – V R 66/09