Prof. Dr. rer. pol. Claudia Rademacher-Gottwald
Leitsatz
Der Zufluss des geldwerten Vorteils aus der Ausübung von Aktienoptionsrechten liegt erst dann vor, wenn die Aktien in das Depot des Arbeitnehmers eingebucht werden oder ihm übergeben bzw. zugeschickt worden sind. Die für den Zuflusszeitpunkt maßgebende wirtschaftliche Verfügungsmacht hat der Arbeitnehmer nicht schon bei Ausübung der Option erlangt.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darüber, in welchem Monat der geldwerte Vorteil des Klägers aus der Ausübung von Aktienoptionsrechten zu versteuern ist.
Der Kläger war Vertriebsbeauftragter einer GmbH mit Sitz in Deutschland, an der eine Aktiengesellschaft mit Sitz in England (E plc) mehrheitlich beteiligt war. Im März 2000 übte der Kläger seine Aktienoptionsrechte aus, die ihm von der E plc im November 1996 gewährt worden waren. Der Kaufpreis wurde im März 2000 ausgezahlt. Die Aktien wurden dem Wertpapierdepot des Klägers jedoch erst im Mai 2000 gutgeschrieben. Bei der Steuerfestsetzung für das Jahr 2000 wurde der geldwerte Vorteil aus der Ausübung der Aktienoptionsrechte mit dem Kurswert vom 13.3.2000 bewertet, da der Kläger an diesem Tag seine Option ausgeübt hatte und das Finanzamt zu diesem Zeitpunkt den Zufluss des geldwerten Vorteils bejahte. Der gegen die Steuerfestsetzung erhobene Einspruch des Klägers, für den der Zufluss erst im Zeitpunkt der Gutschrift der Aktien auf seinem Wertpapierdepot am 29.5.2000 gegeben war, hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Das FG gab der Klage statt. Bezug nehmend auf die ständige Rechtsprechung des BFH zum Zufluss des geldwerten Vorteils ist - so der Senat - auf die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht abzustellen. Da der Kläger die Aktien wirtschaftlich erst im Zeitpunkt der Einbuchung in sein Depot verwerten konnte, lag der Zufluss erst zu diesem Zeitpunkt vor. Demnach sind die Aktien mit dem Kurswert zum Zeitpunkt der Einbuchung zu bewerten. Ohne Bedeutung ist, dass der Kläger die Aktienoption bereits zwei Monate zuvor ausgeübt hatte, denn zu diesem Zeitpunkt hatte er noch keine Verwertungsmöglichkeit. Bei der Gewährung von Aktien setzt die Verwertungsmöglichkeit das zivilrechtliche Eigentum und das damit verbundene Stimm- und Dividendenrecht voraus.
Hinweis
Das Urteil des FG ist nicht rechtskräftig (Az. BFH VI R 1/06). Der BFH muss sich erneut mit der Frage des Zuflusszeitpunkts bei Ausübung von Aktienoptionsrechten beschäftigen. In allen Fällen geht es um die Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem der Arbeitnehmer die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die ihm übertragenen Aktien bekommt. Die betroffenen Arbeitnehmer sollten ihre Steuerfestsetzungen bis zur Entscheidung des BFH offen halten.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Urteil vom 05.10.2005, 5 K 4396/03