Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Räumt der Arbeitgeber selbst handelbare Optionsrechte ein, gelangt der für den Zufluss von Arbeitslohn maßgebliche Vorteil in Gestalt eines Preisnachlasses auf gewährte Aktien erst aufgrund der Verwertung der Option in das wirtschaftliche Eigentum des Optionsnehmers (Arbeitnehmer).
Normenkette
§ 38 Abs. 1, § 38a Abs. 1 S. 3, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 S. 3, § 8 Abs. 1 und 2 S. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger erzielte als angestellter Börsenmakler einer ehemaligen GmbH, 1997 in eine AG umgewandelt, Lohneinkünfte. Er schloss mit dem Hauptgesellschafter der GmbH einen "Aktienkaufoptionsvertrag". Danach erhielt der Kläger mit Umwandlung 3 500 unverfallbare, frei handel- und veräußerbare Aktienoptionen. Im "Aktienkaufoptionsvertrag" hieß es, dass die Mitarbeit des Klägers in der Gesellschaft maßgeblich für ihren derzeitigen Status gewesen sei. Unabhängig von diesem Aktienoptionsvertrag erwarb der Kläger im März 1997 2 000 Aktien zu einem Kaufpreis von 50 DM je Aktie. Er übte 1999 sein Optionsrecht aus und erwarb nach einem 1:2-Aktiensplit 7 000 Aktien für 17 500 DM. Der Kurs war zu diesem Zeitpunkt 463 Euro (905,55 DM), bei Einbuchung ins Depot 458 Euro (895,77 DM), die Erstnotierung lag bei 100 DM je Aktie.
Das FA setzte im VZ 1999 einen geldwerten Vorteil i.H.v. 6 321 345 DM (7 000 Aktien × 463 Euro (905,55 DM) abzüglich 17 500 DM an. Das FG Berlin (Urteil vom 13.12.2004, 9 K 9090/03, Haufe-Index 1339134, EFG 2005, 1354) wies die Klage ab.
Entscheidung
Die Revision des Klägers war nur insoweit erfolgreich, als der BFH den geldwerten Vorteil nicht zum Kurswert der Aktie am Tag ihrer Überlassung, sondern zum Zeitpunkt der Einbuchung ins Depot ermittelte. Im Übrigen wies er die Revision zurück.
Hinweis
Das Besprechungsurteil entschied eine der letzten offenen Fragen zum Themenkomplex der lohnsteuerrechtlichen Behandlung von Aktienoptionen für Arbeitnehmer: Unabhängig davon, ob das Optionsrecht handelbar oder nicht handelbar ist, der daraus folgende lohnsteuerrechtlich erhebliche Vorteil fließt nicht schon mit Einräumung der Option, sondern erst mit Erwerb der Aktien zu. Daneben waren noch die üblichen Fragen streitig: Liegt überhaupt ein aus dem Arbeitsverhältnis stammender Vorteil vor, wie und bezogen auf welchen Zeitpunkt ist dieser Vorteil zu bewerten?
1. Den lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil bejahte der BFH mit seiner ständigen Rechtsprechung, wonach Vorteile "für" eine Beschäftigung gewährt werden, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind. Lohn ausschließende, mit dem Dienstverhältnis nicht zusammenhängende Gründe für die Optionsgewährung konnte er verneinen, die dahin gehende Würdigung der Tatsacheninstanz war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (dazu BFH, Urteile vom 19.06.2008, VI R 4/05, BFH/NV 2008, 1611, BFH/PR 2008, 427; vom 01.02.2007, VI R 72/05, BFH/NV 2007, 898; vom 19.08.2004, VI R 33/97, BFH/NV 2004, 1594, BFH/PR 2004, 472; BFH, Beschlüsse vom 17.01.2005, VI B 30/04, BFH/NV 2005, 884; vom 28.06.2007, VI B 23/07, BFH/NV 2007, 1870; Küttner/Thomas, Personalbuch 2008, Stichwort Arbeitsentgelt, Rz. 59ff.).
Allerdings kam im Streitfall die Besonderheit hinzu, dass der Kläger zwar Arbeitnehmer der GmbH/AG gewesen war, aber der Vorteil von einem Dritten, nämlich dem Hauptgesellschafter stammte. Insoweit konnte der BFH aber auf seine ständige Rechtsprechung zurückgreifen, wonach einer Annahme von Arbeitslohn nicht entgegenstehe, dass die Zuwendung durch einen Dritten erfolge, sofern sie ein Entgelt "für" eine Leistung sei, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses erbringe und sich die Zuwendung des Dritten für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis darstelle (BFH, Urteil vom 19.08.2004, VI R 33/97, BFH/NV 2004, 1594, BFH/PR 2004, 472).
2. Wie aus dem Leitsatz ersichtlich, ist jetzt entschieden, dass bei vom Arbeitgeber eingeräumten Optionen – auch wenn sie handelbar sind – der Zufluss des geldwerten Vorteils erst mit dem preisgünstigen Erwerb der Aktien nach Ausübung erfolgt.
Grundlage dafür war die bekannte Rechtsprechung zur Unterscheidung zwischen dem Innehaben von Ansprüchen einerseits und dem tatsächlichen Zufluss von Einnahmen andererseits. Diese Differenzierung kam bereits bei der Beurteilung nicht handelbarer Optionsrechte zum Tragen: Erst der verbilligte Erwerb der Aktie selbst mittels Optionsausübung führe zu Lohnzufluss (BFH, Urteil vom 20.06.2001, VI R 105/99, BFH/NV 2001, 1185, BFH/PR 2001, 336). Daher ist ein Vorteil erst dann zugeflossen, wenn der Arbeitgeber die geschuldete Leistung tatsächlich erbringt; das kann er auch, indem er etwa dem Arbeitnehmer einen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen einen Dritten verschafft (BFH, Urteil vom 16.04.1999, VI R 66/97, BFH/NV 1999, 1413; vom 27.05.1993, VI R 19/92, Haufe-Index 64638, BStBl II 1994, 246; BFH, Beschluss vom 23.07.1999, VI B 116/99, BFH/NV 1999, 1695).
Diese Beurteilung gilt, auch wenn das Optionsrecht ...