Dipl.-Finw. (FH) Walter Niermann
Leitsatz
- Eine Abfindung wird als Arbeitslohn, der nicht laufend gezahlt wird (sonstige Bezüge) in dem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Arbeitnehmer zufließt; laufender Arbeitslohn gilt dagegen in dem Kalenderjahr als bezogen, in dem der Lohnzahlungszeitraum endet.
- Die Vereinbarung über das Hinausschieben der Fälligkeit einer Abfindungszahlung, die vor dem erstmaligen Eintritt der Fälligkeit getroffen wird, ist keine wirtschaftliche Verfügung über die Abfindungszahlung selbst, so dass die Abfindung - ohne Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO - erst zum vereinbarten, hinausgeschobenen Fälligkeitszeitpunkt nach § 11 Abs. 1 EStG zufließt.
- Erfolgt die Vereinbarung über die Fälligkeit bevor der Anspruch entstanden ist, liegt eine anfängliche Stundung im Sinne eines von vornherein vereinbarten späteren Fälligkeitstermins vor.
- Der Umstand, dass ein Abfindungsanspruch in einer kollektivrechtlichen innerbetrieblichen Vereinbarung zwischen Geschäftsleitung und Betriebsleitung seinen Ursprung hat, hat keine Auswirkung auf die rechtliche Beurteilung des individuell vereinbarten Zeitpunkt der Fälligkeit und damit des Zuflusses der Abfindung nach § 11 Abs. 1 EStG.
Sachverhalt
Umstritten war, ob der zweite Teilbetrag einer Abfindung erst im Veranlagungszeitraum der tatsächlichen Auszahlung oder bereits im Veranlagungszeitraum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses steuerlich zugeflossen war. Im Streitfall war die Fälligkeit zunächst allgemein durch einen Sozialplan auf den November 2000 festgelegt. Sie wurde jedoch noch vor diesem Zeitpunkt auf Wunsch der Arbeitnehmerin hinsichtlich des steuerpflichtigen Teils der Abfindung auf den Januar 2001 hinausgeschoben.
Entscheidung
Das FG gelangte zu dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmerin der zweite - steuerpflichtige - Teil der Abfindung erst in 2001 und nicht bereits in 2000 zugeflossen war. Noch bevor die Arbeitnehmerin den Vertrag über die Beendigung ihres Dienstverhältnisses unterschrieb, der noch für 2000 die Zahlung der im Sozialplan vereinbarten Abfindung vorsah, hat sie eine individuelle Vereinbarung mit ihrem Arbeitgeber getroffen, wonach die Abfindung in zwei Teilbeträgen in 2000 und 2001 ausgezahlt werden sollte. Das FG ging davon aus, dass hierdurch von vornherein ein späterer Fälligkeitstermin für den zweiten Abfindungsbetrag vereinbart worden war. Auch der Ursprung des Abfindungsanspruchs im Sozialplan führt nicht automatisch zum Zufluss im Zeitpunkt der dort allgemein bestimmten Fälligkeit.
Hinweis
Die Sichtweise des FG hat zur Folge, dass der steuerpflichtige Teil der Abfindungszahlung der Arbeitnehmerin steuerlich erst in 2001 erfasst und deshalb niedriger besteuert wurde, da der Gesetzgeber den Einkommensteuersatz in 2001 gegenüber dem Vorjahr abgesenkt hatte. Ungeachtet der steuerlich motivierten Hinausschiebung der Fälligkeit hat das FG - und dies begründet die über den entschiedenen Fall hinausgehende Bedeutung des Urteils - die Verlagerung des Zuflusszeitpunkts mitgetragen. Dies spricht dafür, dass nicht nur Abfindungen, sondern auch andere Gehaltsbestandteile wie Boni, Gratifikationen, Tantiemen o.ä. mit steuerlicher Wirkung in spätere Jahre verschoben werden können. Bei der Übertragung der arbeitnehmerfreundlichen Urteilsgrundsätze ist allerdings insoweit Vorsicht geboten, als gegen die FG-Entscheidung Revision eingelegt worden ist (Az. beim BFH: IX R 1/09). Das letzte Wort in der Sache hat somit der BFH.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2008, 3 K 101/05