Leitsatz
1. Die Abgrenzung zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken bestimmt sich nach der Zumutbarkeit der bestimmungsgemäßen Gebäudenutzung zum Feststellungszeitpunkt.
2. Die Unzumutbarkeit einer bestimmungsgemäßen Gebäudenutzung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie auf behebbaren Baumängeln und Bauschäden sowie sog. aufgestautem Reparaturbedarf beruht.
Normenkette
§ 72 Abs. 1 BewG , § 72 Abs. 3 BewG , § 129 Abs. 2 BewG , § 33a Abs. 2 RBewDV
Sachverhalt
Der Kläger ist Eigentümer eines 1938/39 errichteten Einfamilienhauses, das im Innenbereich umfangreiche Wasserschäden an den Zimmerdecken im Ober- und Untergeschoss aufweist. Der Deckenputz ist stellenweise herabgefallen. Die Dachbalken um den Kamin und im Bereich der Mittelpfette sowie die Bretterverschalungen sind angefault, der Kamin versottet. In einem Anbau fehlt der Estrich; der Boden und die Wände zeigen aufsteigende Feuchtigkeit. Die Heizung und die Elektroinstallation sind unbrauchbar. Nach dem streitigen Stichtag ist mit Sanierungsarbeiten begonnen worden.
Das FA bewertete das Grundstück als sonstiges bebautes Grundstück, weil das aufstehende Gebäude weder zerstört noch dem Verfall preisgegeben worden sei und die Schäden lediglich auf unterlassene Reparaturen und Instandhaltungen zurückzuführen seien.
Das FG bewertete das Grundstück dagegen als unbebautes Grundstück.
Entscheidung
Der BFH folgte dem FG. Sowohl für den Übergang zum bebauten Grundstück als auch für den Rückfall vom bebauten zum unbebauten Grundstück ist auf die Zumutbarkeit der Gebäudenutzung abzustellen. Sie entfällt nicht erst dann, wenn das Gebäude zerstört oder dem Verfall preisgegeben ist. Für die Zumutbarkeit der Gebäudenutzung ist auch unbeachtlich, ob das äußere Erscheinungsbild des Bauwerks noch den Eindruck erweckt, es handle sich um ein bebautes Grundstück.
Entscheidend ist allein, ob zur dauernden bestimmungsgemäßen Nutzung geeigneter Raum schon bzw. noch vorhanden ist. Bei der Beurteilung des baulichen Zustands eines Gebäudes zum jeweiligen Bewertungsstichtag muss außer Betracht bleiben, ob sich dieser Zustand als Zwischenstadium auf dem Weg zur Wiederherstellung eines benutzbaren Gebäudes darstellt. Daher schließen behebbare Baumängel und -schäden und unterlassene Reparaturen eine Bewertung als unbebautes Grundstück nicht aus.
Für die Frage, was unter Zumutbarkeit der Gebäudenutzung zu verstehen ist, konnte früher auf § 16 Abs. 3 des II. Wohnungsbaugesetzes und kann nunmehr auf das Wohnraumförderungsgesetz vom 13.9.2001 (BGBl I, 2376) zurückgegriffen werden. Danach ist die Gebäudenutzung unzumutbar, wenn das Gebäude sich in einem Zustand befindet, der aus Gründen der Bau- oder Gesundheitsaufsicht – anders und zusammenfassend ausgedrückt: aus bauordnungsrechtlichen Gründen – eine Gebäudenutzung nicht gestattet.
Hinweis
Die Grundsätze des Besprechungsurteils gelten gleichermaßen für die alten wie für die neuen Bundesländer. Soweit nach Tz. 2 der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen betreffend die Bewertung von Grundstücken mit aufstehenden Gebäuden, die dem Verfall preisgegeben sind, im Beitrittsgebiet ab 1.1.1991 vom 7.3.1995 (BStBl I 1995, 247) bei einem Gebäude, das auf Dauer nicht mehr benutzt werden kann, eine Bewertung als unbebautes Grundstück ausschließlich dann in Betracht kommen soll, wenn die Verfallsmerkmale an der Bausubstanz erkennbar sind und das gesamte Gebäude betreffen, beruht dies auf einer unzutreffenden Auslegung des § 33a Abs. 2 RbewDV. Das gilt auch für die Aussage, behebbare Baumängel und aufgestauter Reparaturbedarf schlössen eine Bewertung als unbebautes Grundstück aus.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.5.2003, II R 14/01