Leitsatz
Wer als Unternehmer auf eigene Rechnung Telefonkarten erwirbt und diese an seine Kunden veräußert, kann auch dann selbst eine Telekommunikationsleistung ausführen, wenn er nach seinen AGB lediglich als Vermittler auftreten will.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9 und Abs. 11, § 3a Abs. 4 Nr. 11 UStG 2005
Sachverhalt
Die Klägerin erwarb Telefonkarten von verschiedenen Anbietern von Telekommunikationsdienstleistungen (TK-DL), die in Drittländern und im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig waren. Sie veräußerte die Telefonkarten an gewerblich tätige Abnehmer und behielt dabei die vereinnahmten Beträge vollständig für sich ein, ohne die Verkäufe mit den Anbietern der TK-DL abzurechnen.
Auf den Telefonkarten waren eine Servicenummer sowie eine PIN-Nummer aufgedruckt, mit deren Hilfe die Endkunden im Rahmen des erworbenen Guthabens Telefongespräche über einen Provider führen konnten. Die Karten trugen verschiedene Markennamen, die im Regelfall keinen Bezug zum Namen des Telefonanbieters aufwiesen. Nach den AGB der Klägerin, denen die Käufer der Telefonkarten zustimmen mussten, handelte sie als Vermittler.
Die Klägerin versteuerte nur eine Vermittlungsprovision, für deren Ermittlung sie aus den ihren Abnehmern in Rechnung gestellten Nennwerten einen fiktiven prozentualen Anteil als Vermittlungsprovision abzog. Zudem machte sie den Vorsteuerabzug geltend. Das Finanzamt ging demgegenüber davon aus, dass die Klägerin nicht die Vermittlung, sondern die Veräußerung der Telefonkarten zu versteuern habe.
Das FG gab der Klage statt, da es von Vermittlungsleistungen der Klägerin ausging, wie sich aus ihren AGBs ergebe. Ihre Kunden hätten nicht davon ausgehen können, dass die Klägerin zur Erbringung von TK-DL in der Lage gewesen sei (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.1.2015, 5 K 5381/13, Haufe-Index 9285682, EFG 2016, 684).
Entscheidung
Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG habe es rechtsfehlerhaft unterlassen, Feststellungen zu den Rechtsverhältnissen zu treffen, die den streitigen Leistungen zugrunde lagen. Es habe insbesondere nicht geprüft, ob und wem gegenüber die von der Klägerin verwendeten AGB, aus denen sich ihre bloße Vermittlertätigkeit ergeben soll, in die den Leistungen zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse einbezogen worden seien.
Der Erwerb der Telefonkarten auf eigene Rechnung spreche gegen eine Vermittlungstätigkeit. Es könnte davon auszugehen sein, dass die Klägerin selbst bei einem mit ihren Kunden vereinbarten Handeln im fremden Namen ohne Vertretungsmacht tätig geworden sei. Es lägen dann zivilrechtlich Eigengeschäfte nach §§ 177, 179 BGB vor, die umsatzsteuerrechtlich zu einer Leistung durch die Klägerin als vollmachtlose Vertreterin führen würde.
Im Übrigen könnte die Klägerin TK-DL auch durch Einschaltung anderer Unternehmer erbracht haben. Es komme somit nicht darauf an, ob sie technisch zur Erbringung von TK-DL selbst in der Lage gewesen sei. Hierfür spreche die aus Gründen des Unionsrechts gebotene weite Auslegung des Begriffs der TK-DL. Zudem seien Fragen zu den Leistungsbezügen und zu einem sich hieraus ergebenden Vorsteuerabzug aufzuklären.
Hinweis
1. Die Person des Leistenden bestimmt sich nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Somit kommt es darauf an, ob der Leistende nach Maßgabe dieses Rechtsverhältnisses im eigenen oder mit Vertretungsmacht im fremden Namen handelt. Handelt der Unternehmer im fremden Namen, aber ohne Vertretungsmacht, besteht das der Leistung zugrunde liegende Rechtsverhältnis zu ihm, nicht aber zum angeblich Vertretenen. Denn entsprechend §§ 177, 179 BGB ist dann von einem Eigengeschäft des Handelnden auszugehen, bei dem der Handelnde umsatzsteuerrechtlich der Leistungserbringer ist.
2. In Sonderfällen kann von einer Leistungserbringung durch den Handelnden auch dann auszugehen sein, wenn durch das Handeln im fremden Namen nur verdeckt wird, dass er, nicht aber der Vertretene die Leistung erbringt. Unter welchen Voraussetzungen von einem derartigen Sonderfall auszugehen sein kann, ist nicht abschließend geklärt. Möglicherweise muss die Leistungserbringung durch den Vertretenen vom Handelnden und dem Leistungsempfänger einvernehmlich als Scheingeschäft angesehen werden, durch das eine tatsächlich gewollte Leistungserbringung durch den handelnden "Vertreter" verdeckt werden soll.
3. Ebenso kann von einer Leistungserbringung durch den handelnden "Vertreter" auszugehen sein, wenn in Bezug auf das der Leistung zugrunde liegende Rechtsverhältnis Unklarheiten oder Widersprüche bestehen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.8.2016 – V R 4/16