Leitsatz
1. Die Rüge der Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (Entzug des gesetzlichen Richters) durch Nichteinholung einer Vorabentscheidung des EuGH ist im Rahmen einer Anhörungsrüge nach § 133a FGO nicht statthaft.
2. Eine Gerichtsentscheidung, in der ein letztinstanzliches Gericht eine mögliche Vorlage an den EuGH abgelehnt hat, verstößt nur dann gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn das Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat.
Normenkette
§ 133a FGO, Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 234 Abs. 3 EG
Sachverhalt
Der Kläger rügte mit seiner Eingabe, sein Anspruch auf den "gesetzlichen Richter" sei verletzt, weil keine Vorabentscheidung EuGH eingeholt worden sei.
Entscheidung
Der BFH wies die Anhörungsrüge als unzulässig zurück.
Ob eine Gegenvorstellung daneben noch zulässig ist, ließ die Entscheidung noch offen. Dagegen spricht, dass der Gesetzgeber – zur Rechtsmittelklarheit aufgefordert durch das BVerfG – § 133a FGO geschaffen hatte. Damit besteht weder ein Anhaltspunkt zur Beibehaltung oder gar zur Schaffung weiterer gesetzlich nicht geregelter Rechtsmittel.
Hinweis
Nach § 133a Abs. 1 Satz 1 FGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn (1.) ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und (2.) das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 133a Abs. 1 Satz 1 FGO kann mit der Anhörungsrüge nur vorgebracht werden, das Gericht habe im Rahmen der angegriffenen Entscheidung gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßen. Die Geltendmachung anderer Verfahrensverstöße ist deshalb nicht zulässig. Die Rüge der Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist im Rahmen einer Anhörungsrüge nach § 133a FGO daher nicht statthaft. Unabhängig davon: Eine Gerichtsentscheidung, in der eine mögliche Vorlage an den EuGH gem. Art. 234 Abs. 3 EG abgelehnt wird, verstößt nur dann gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn das Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hätte, z.B. dann, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind. Dass das Gericht sich der Auffassung des Beteiligten – insbesondere deren Verständnis bestimmter EuGH-Urteile – nicht anschließt, reicht nicht.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 11.5.2007, V S 6/07