Leitsatz
1. Sieht eine abkommensrechtliche "Switch over" Klausel vor, dass die Anwendung der Freistellungsmethode bei Betriebsstätteneinkünften unter einem Aktivitätsvorbehalt steht und wird hierfür auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 des Außensteuergesetzes (AStG) verwiesen, erfüllen ausländische Betriebsstätten das dortige Tatbestandsmerkmal "ausländische Gesellschaft". Die Verweisung betrifft nicht nur die Regelung der aktiven (Grund)Tätigkeiten, sondern bezieht die in § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG vorgesehenen Einschränkungen ein (hier: Mitwirkung eines gemäß § 7 AStG an der Gesellschaft beteiligten, unbeschränkt Steuerpflichtigen an der Dienstleistung nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG).
2. Die (Rück)Ausnahme des § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010), die als Rechtsfolge die Beibehaltung der Freistellungsmethode vorsieht, kommt nicht zur Anwendung, wenn ein Wechsel der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode nicht aus § 20 Abs. 2 AStG bzw. § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG i.d.F. des JStG 2010, sondern bereits aus der Anwendung einer abkommensrechtlichen "Switch over" Klausel folgt.
Normenkette
§ 8 Abs. 1 Nr. 5, § 20 Abs. 2 AStG, Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Russland 1996, Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Rumänien 2001
Sachverhalt
Die Klägerin, eine KG, ist Rechtsnachfolgerin der X‐GmbH, die im Streitjahr ihren Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Inland hatte und an der zu Beginn des Streitjahres A zu 70 % (ab 28.2.2004: 95 %) und B zu 30 % (ab 28.2.2004: 5 %) beteiligt waren. Aufgrund von Consultingverträgen mit … war die X‐GmbH u.a. in Russland und Rumänien tätig. Dort wurden ihr Geschäftsräume zur Verfügung gestellt oder von ihr selbst auf eigene Rechnung angemietet, in denen eigenes Personal (darunter auch A) beratend tätig wurde. Die X‐GmbH erklärte insoweit Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten, die im Inland nach dem jeweils anwendbaren DBA steuerfrei seien.
Nach einer Außenprüfung kam das FA zu dem Ergebnis, dass die Einkünfte aus den Projekten in Russland und Rumänien nicht der Freistellungs‐, sondern der Anrechnungsmethode unterfielen, und erließ am 14.4.2014 einen nach § 164 Abs. 2 AO entsprechend geänderten Bescheid über KSt für 2004. Während des Einspruchsverfahrens einigten sich die Beteiligten über die Höhe der Einkünfte, die der Betriebsstätte in Russland und der Betriebsstätte in Rumänien zuzurechnen seien. Diese Einigung wurde in einem weiteren Änderungsbescheid vom 7.12.2015 umgesetzt. Im Übrigen blieb der Einspruch erfolglos.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage als unbegründet ab (Sächsisches FG, Urteil vom 15.12.2020, 1 K 1469/16, Haufe-Index 14783132, EFG 2021, 1976).
Entscheidung
Der BFH hat das Urteil der Vorinstanz bestätigt und folglich die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Die Gründe dafür können den Praxis-Hinweisen entnommen werden.
Hinweis
1. In der Besprechungsentscheidung geht es darum, ob für erzielte Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten unter Berücksichtigung abkommensrechtlicher Aktivitätsvorbehalte und § 20 Abs. 2 AStG die Freistellungs- oder die Anrechnungsmethode anzuwenden ist.
2. Ausländische Betriebsstätteneinkünfte unterliegen abkommensrechtlich in der Regel dem Besteuerungsrecht des ausländischen Staats. Deutschland vermeidet die Doppelbesteuerung durch Steuerfreistellung der ausländischen Betriebsstätteneinkünfte oder durch Anrechnung der ausländischen Steuer, die auf die Betriebsstätteneinkünfte entfallen. Wie allgemein bekannt sein dürfte, ist die Steuerfreistellung aufgrund des relativ hohen deutschen Besteuerungsniveaus für den inländischen Steuerpflichtigen meist günstiger als die "bloße" Steueranrechnung.
3. Im Streitfall haben die DBA Russland und Rumänien die Anwendung der Freistellungsmethode von besonderen Voraussetzungen, und zwar von Aktivitätsvorbehalten abhängig gemacht. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, dann "schaltet das System von Freistellung auf Anrechnung um" (sog. Switch-over-Klausel). Bei den Aktivitätsvorbehalten knüpfen die DBA häufig an den in § 8 AStG geregelten Katalog aktiver Einkünfte an.
4. Im Streitfall waren nach der Entscheidung des BFH jeweils die Voraussetzungen für den Switch-over erfüllt, weil in den Betriebsstätten keine aktiven Einkünfte erzielt wurden. Die in den Betriebsstätten erbrachten Consulting-Dienstleistungen waren im Ergebnis "passiv".
a) Den Einwand der Klägerin, dass § 8 AStG von ausländischen Gesellschaften spreche, es vorliegend aber um Betriebsstätten gehe, weist der BFH zurück. Die Anwendbarkeit des abkommensrechtlichen Aktivitätsvorbehalts folgt bereits daraus, dass diese Aktivitätsvorbehalte in Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA‐Russland und Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA‐Rumäniengerade auch für Einkünfte aus einer "Betriebsstätte" Anwendung finden, die "eine in Deutschland ansässige Person" im jeweils anderen Vertragsstaat unterhält.
b) Mit der Anknüpfung an den AStG-Katalog der aktiven Tätigkeiten werden sogleich auch die dort enthaltenen Einschränkungen für die Ak...