Leitsatz
1. Die 1%-Regelung kommt nicht zur Anwendung, wenn eine Privatnutzung des Firmenfahrzeugs ausscheidet. Allerdings spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine private Nutzung.
2. Das Verbot des Arbeitgebers, das Fahrzeug privat zu nutzen, kann ausreichen, den Anscheinsbeweis zu erschüttern, sofern es nicht nur zum Schein ausgesprochen worden ist.
3. Die Würdigung, ob im Einzelfall der Anscheinsbeweis als entkräftet angesehen werden kann, obliegt der Tatsacheninstanz.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 8 Abs. 2 Sätze 2 ff., § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war als Gas-, Wasser- und Installateurmeister bei der Firma B beschäftigt. Diese stellte ihm ein Firmenfahrzeug zur Verfügung. Nach einer LSt-Außenprüfung vertrat das FA die Ansicht, der geldwerte Vorteil für die private Mitbenutzung sei pauschal nach der 1%-Regelung zu bewerten. Das Fahrzeug sei auch für private Fahrten genutzt worden; ein Fahrtenbuch sei nicht geführt worden. Demgegenüber machte der Kläger geltend, für private Fahrten bestehe ein Nutzungsverbot des Arbeitgebers.
Das FG wies die Klage ab. Das Nutzungsverbot sei nicht ernsthaft bzw. allenfalls mündlich ausgesprochen worden.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung dahingehend, dass der Anscheinsbeweis (für eine bestehende Privatnutzung) nicht entkräftet worden sei. Dies sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das behauptete Nutzungsverbot sei – wenn nicht gar zum Schein – allenfalls "mündlich" ausgesprochen worden. Das FG habe in seine Würdigung auch einbeziehen können, dass der Kläger eine herausgehobene Position im Betrieb des Arbeitgebers und "freie Hand" hinsichtlich der Nutzung des Dienstwagens gehabt habe.
Hinweis
1. Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass die unentgeltliche bzw. verbilligte Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zum Lohnzufluss führt (siehe hierzu etwa BFH, Urteil vom 6.11.2001, VI R 62/96, BFH-PR 2002, 202).
2. Der BFH betont auch in dieser Besprechungsentscheidung, dass die 1%-Regelung (§ 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 und § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG) als auch die Fahrtenbuchmethode (§ 8 Abs. 2 Satz 4 EStG) unterschiedliche Methoden zur Bewertung des privaten Nutzungsvorteils darstellen. Beide Methoden haben hinsichtlich des Umfangs der erfassten Kosten einen gleichartigen Regelungsinhalt. Sie regeln einheitlich und abschließend, welche Aufwendungen von dem gefundenen Wertansatz erfasst und in welchem Umfang die dem Steuerpflichtigen hieraus zufließenden Sachbezüge abgegolten werden. Als Spezialvorschriften zu § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG sperren sie, soweit ihr Regelungsgehalt reicht, den Rückgriff auf die dort geregelte Bewertung von Sachbezügen (siehe BFH, Urteil vom 14.9.2005, VI R 37/03, BFH-PR 2006, 56).
3. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass der Beweis des ersten Anscheins für eine auch private Nutzung des Dienstwagens spricht. Dieser Anscheinsbeweis kann durch Darlegung eines möglicherweise abweichenden Geschehensablaufs entkräftet werden.
4. Der BFH musste in der Besprechungsentscheidung noch nicht abschließend klären, ob der Anscheinsbeweis – sofern ein ernsthaft vereinbartes Nutzungsverbot vorliegt – regelmäßig nur dann erschüttert werden kann, wenn das Verbot vom Arbeitgeber überwacht worden ist (so die Auffassung der Verwaltung). Ob der BFH so weit gehen wird, erscheint fraglich. Immerhin ist zu bedenken, dass ein Arbeitnehmer sich mannigfachen Risiken bei vertragswidriger Nutzung des Dienstwagens aussetzt.
5. Im Besprechungsfall konnte sich der BFH auf die Klärung folgender Punkte beschränken:
Die 1%-Regelung kommt jedenfalls nicht zur Anwendung, wenn eine Privatnutzung ausscheidet.
Ob durchgreifende Anhaltspunkte für eine Entkräftung des Anscheinsbeweises bestehen, ist eine Frage der Beweiswürdigung. Sie zu beantworten, obliegt in erster Linie dem FG.
Die diesbezügliche Entscheidung ist revisionsrechtlich bindend, soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 7.11.2006, VI R 19/05