Leitsatz
Der Formunwirksamkeit eines unter nahen Angehörigen abgeschlossenen Vertrags kommt eine Indizwirkung gegen dessen steuerrechtliche Anerkennung zu (Anschluss an BFH-Urteil vom 7.6.2006, IX R 4/04, BFH/NV 2006, 2162).
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1, § 12, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 1629 Abs. 1 Satz 1, § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB
Sachverhalt
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr (1999) zur ESt zusammen veranlagt wurden. Der Kläger ist Zahnarzt, die Klägerin Arzthelferin. Zusammen erzielten sie aus mehreren Unternehmensbeteiligungen Einkünfte aus Gewerbebetrieb und durch Vermieten verschiedener Objekte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Kläger haben sechs Kinder; mit fünf von ihnen schloss der Kläger im Jahr 1998 inhaltsgleiche Darlehensverträge ab, in denen sich die Kinder verpflichteten, ihrem Vater jeweils 50.000 DM zur Verfügung zu stellen. Die Kinder – beim Vertragsabschluss allesamt noch minderjährig – wurden dabei von ihrer Mutter, der Klägerin, vertreten. Ein Ergänzungspfleger wurde zunächst nicht bestellt. Mit dem von seinen Kindern empfangenen Geld führte der Kläger das Darlehen einer Hypothekenbank zurück, das er zur Finanzierung seines vermieteten Objekts X aufgenommen hatte. Die an seine Kinder im Streitjahr gezahlten Schuldzinsen von insgesamt 12.500 DM machte der Kläger als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus der Vermietung dieses Objekts geltend.
Das FA ließ die Schuldzinsen nicht zum Abzug als Werbungskosten zu, weil die ohne Einschaltung eines Ergänzungspflegers abgeschlossenen Darlehensverträge zivilrechtlich nicht wirksam seien. Mit ihrem Einspruch brachten die Kläger vor, aus Unkenntnis der zivilrechtlichen Notwendigkeit auf die Bestellung des Ergänzungspflegers verzichtet zu haben.
Auf Antrag des Klägers ordnete das Vormundschaftsgericht im Oktober 2001 die Ergänzungspflegschaft für die vier (noch) minderjährigen Kinder an – ein Kind war zwischenzeitlich volljährig. Es bestimmte den Prozessbevollmächtigten zum Ergänzungspfleger, der die Darlehensverträge genehmigte. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger.
Entscheidung
Zu Recht hat das FG nach Auffassung des BFH die Darlehensverträge aufgrund ihrer Formunwirksamkeit steuerrechtlich nicht anerkannt. Die Nichtbeachtung der Formvorschriften sei den Klägern anzulasten, weil sich die Mitwirkungspflicht eines Ergänzungspflegers schon aus dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften des BGB ergebe. Deshalb komme es im Streitfall nicht mehr darauf an, ob die Parteien nach Erkennen der Unwirksamkeit zeitnah auf eine Genehmigung durch den Ergänzungspfleger hingewirkt hätten.
Hinweis
Nach der BFH-Rechtsprechung sind Vertragsverhältnisse zwischen nahen Angehörigen steuerrechtlich nur anzuerkennen, wenn die Verträge bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden sind und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13.7.1999, VIII R 29/97, BStBl II 2000, 386, m.w.N.). Diese Anforderungen gründen auf der Überlegung, dass es innerhalb eines Familienverbunds typischerweise an einem Interessensgegensatz fehlt und zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten steuerrechtlich missbraucht werden können (vgl. BVerfG-Beschluss vom 7.11.1995, 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34). Im Interesse einer effektiven Missbrauchsbekämpfung ist es daher geboten und zulässig, an den Beweis des Abschlusses und an den Nachweis der Ernstlichkeit von Vertragsgestaltungen zwischen nahen Angehörigen strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 16.7.1991, 2 BvR 769/90, HFR 1992, 23 m.w.N.).
Die besonderen Anforderungen der Rechtsprechung bilden Beweisanzeichen (Indizien) bei der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu treffenden Entscheidung, ob die streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Erzielen von Einkünften stehen oder dem nicht steuerbaren privaten Bereich (§ 12 EStG) zugehörig sind (vgl. BFH-Urteil vom 3.3.2004, X R 14/01, BFH-PR 2004, 263). Lassen die Vertragsbeteiligten zivilrechtliche Formerfordernisse unbeachtet, so führt dieses Beweisanzeichen gegen die Ernsthaftigkeit der getroffenen Vereinbarung – anders als z.B. das Nichterfüllen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals – nicht allein und ausnahmslos dazu, das Vertragsverhältnis steuerrechtlich nicht anzuerkennen (BFH, Urteil vom 7.6.2006, IX R 4/04, BFH/NV 2006, 2162, m.w.N.). Die Indizwirkung gegen den vertraglichen Bindungswillen wird aber verstärkt, wenn den Vertragspartnern die Nichtbeachtung der Formvorschriften insbesondere bei klarer Zivilrechtslage angelastet werden kann.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.2.2007, IX R 45/06