Leitsatz
1. Die Existenz des mit dem Gesetz zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften geschaffenen Wahlrechts des Steuerpflichtigen, auch für Veräußerungen vor dem 31.07.2019 rückwirkend die Neuregelung des § 17 Abs. 2a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Anspruch zu nehmen (§ 52 Abs. 25a Satz 2 EStG), lässt die im Senatsurteil vom 11.07.2017 ‐ IX R 36/15 (BFHE 258, 427, BStBl II 2019, 208, Rz 41) angeordnete befristete Fortgeltung der herkömmlichen Rechtsgrundsätze zur Behandlung von (ehemals) eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen im Rahmen des § 17 EStG nicht entfallen.
2. Steuerpflichtige können im Fall der Nichtausübung des Wahlrechts nach § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG nicht auf die Anwendung dieser Fortgeltungsanordnung verzichten.
Normenkette
§ 17 Abs. 1, 2 und 4, § 20 Abs. 2, Abs. 8 Satz 1, § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG
Sachverhalt
Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung des Ausfalls von Darlehen im Zusammenhang mit der Auflösung einer Kapitalgesellschaft.
Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr zusammen zur ESt veranlagt. Der Kläger war seit 2006 Gesellschafter einer GmbH mit einem Geschäftsanteil im Nennbetrag von 20.000 EUR (entspricht 80 % des Stammkapitals) und hatte die Beteiligung zum Nennbetrag erworben.
Der Kläger schloss mit der GmbH am 27.12.2015 zwei Darlehensverträge über insgesamt 150.000 EUR. Im Jahr 2016 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.
In ihrer Einkommensteuererklärung 2016 machten die Kläger einen Verlust nach § 17 EStG i.H.v. insgesamt 170.000 EUR (Verlust des Stammkapitals i.H.v. 20.000 EUR, Verlust aus Darlehen i.H.v. 150.000 EUR) vor Anwendung des Teileinkünfteverfahrens geltend. Das FA berücksichtigte lediglich den Stammkapitalverlust (12.000 EUR nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens).
Der Einspruch blieb ohne Erfolg und führte nach erfolgtem Verböserungshinweis zu einer Heraufsetzung der ESt; das FA erkannte keinen Verlust aus § 17 EStG an.
Die hiergegen erhobene Klage hat zu einer Änderung der Einkommensteuerfestsetzung dahin gehend geführt, dass bei den Einkünften des Klägers gemäß § 17 Abs. 4 EStG ein Verlust i.H.v. 12.000 EUR nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens sowie bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen ein Verlust aus dem Ausfall von Darlehensforderungen i.H.v. 150.000 EUR, der nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG der tariflichen Einkommensteuer unterfällt, berücksichtigt wurden (FG Düsseldorf, Urteil vom 19.1.2023, 14 K 1638/20 E, Haufe-Index 15964383, EFG 2023, 1457).
Entscheidung
Auf die Revision des FA hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG habe rechtsfehlerhaft den Ausfall der Darlehensrückzahlungsansprüche des Klägers den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG zugeordnet. Es wird zu ermitteln haben, in welcher Höhe der Verlust ganz oder zumindest teilweise den Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG zuzuordnen ist.
Hinweis
1. Ausgangspunkt des Streitfalls war die Entscheidung des BFH vom 11.7.2017 (IX R 36/15, BFH/NV 2017, 1501, BFH/PR 2017, 393, BStBl II 2019, 208). Danach sind die bisherigen Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung dieses Urteils (27.9.2017) geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist. Dabei handelte es sich um eine Vertrauensschutzregelung, welche der Gesetzgeber ursprünglich selbst nicht vorgesehen hatte.
Diese Entscheidung aus dem Jahre 2017 stellte eine große Ausnahme dar. Zuvor hatte nur der Große Senat (Beschluss vom 17.12.2007, GrS 2/04, BFH/NV 2008, 651, BStBl II 2008, 608) eine Übergangsregelung geschaffen (zur Vererblichkeit des Verlustabzugs).
2. In der Folgezeit reagierte der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451). § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 EStG regelt, unter welchen Voraussetzungen auch nach der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts Darlehensverluste als nachträgliche Anschaffungskosten bei den Einkünften i.S.v. § 17 EStG zu berücksichtigen sind. Die Norm ist nach § 52 Abs. 25a Satz 1 EStG erstmals für Veräußerungen nach dem 31.7.2019 anzuwenden, auf Antrag des Steuerpflichtigen auch für Veräußerungen vor diesem Datum (Wahlrecht).
3. Im Streitfall musste der BFH das Verhältnis zwischen seiner Vertrauensregelung und dem gesetzlichen Wahlrecht klären. Die Frage war insbesondere, ob die Vertrauensregelung auch gilt, wenn sie für den Steuerpflichtigen ungünstiger ist und er das Wahlrecht nicht ausübt. So wie hier:
Der Kläger hatte keinen Antrag nach § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG gestellt und wollte eine Berücksichtigung seiner Darlehensverl...