Leitsatz
1. Die wirtschaftliche Vergleichbarkeit einer Stiftungsleistung mit einer Gewinnausschüttung erfordert, dass die Stellung des Leistungsempfängers wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners entspricht. Die Leistung muss sich außerdem als Verteilung des erwirtschafteten Überschusses darstellen (Bestätigung des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 28.02.2018 ‐ VIII R 30/15, BFHE 261, 47).
2. Die Stellung des Empfängers einer Stiftungsleistung entspricht wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners, wenn er in seiner Person die Voraussetzungen erfüllt, die die Stiftungssatzung für einen Leistungsbezug aufstellt, er also zum Kreis der begünstigungsfähigen Personen gehört, und eine Gegenleistung nicht zu erbringen ist.
3. Die Einräumung von Vermögens- oder Organisationsrechten durch die Stiftungssatzung, die die Rechtsstellung des Destinatärs darüber hinaus an die rechtliche Stellung eines Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft annähern, ist nicht erforderlich.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 9 Sätze 1 und 2 EStG, § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG
Sachverhalt
Die leistende Stiftung verfolgt den Zweck, Angehörige der Familie X mit einer Starthilfe zu fördern. Der Kläger ist Mitglied der Familie X i. S. d. Stiftungszwecks. Er erhielt von der Stiftung Gelegenheit, sich bei ihr vorzustellen und hielt dort einen Vortrag. Daraufhin gewährte ihm die Stiftung eine Zuwendung in Geld und einem Aktienpaket der X-AG. Die Stiftung meldete die Leistung dem für den Kläger zuständigen ErbSt-FA. Dieses setzte gegen den Kläger ErbSt fest. Nachdem der BFH die ErbSt-Festsetzung gegen einen anderen Destinatär derselben Stiftung mangels einer freigebigen Zuwendung aufgehoben hatte (BFH, Urteil vom 3.7.2019, II R 6/16, BFH/NV 2019, 1421, BStBl II 2020, 61) hob das FA den ErbSt-Bescheid gegen den Kläger auf und erließ einen ESt-Bescheid, in dem es die Stiftungsleistung bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 EStG berücksichtigte. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (FG Hamburg, Urteil vom 20.8.2021, 6 K 196/20, Haufe-Index 14826024, EFG 2022, 241).
Entscheidung
Der BFH hat auch die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger muss die Stiftungsleistung bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen versteuern. Er gehörte zum Kreis der vom Stiftungszweck Begünstigten und musste für die Stiftungsleistung keine Gegenleistung erbringen. Der Vortrag des Klägers beim Vorstellungstermin war keine Gegenleistung. Nach den Feststellungen des FG hat die Stiftung auch ausschließlich Erträge an den Kläger ausgeschüttet, und zwar auch, soweit sie ihm Aktien übertragen hat. Unerheblich war, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Leistung hatte und auch in keiner Weise auf die Entscheidungen der Stiftung einwirken konnte.
Hinweis
1. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 Halbs. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Einnahmen aus Leistungen einer nicht von der KSt befreiten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 KStG, die Gewinnausschüttungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar sind, soweit sie nicht bereits zu den Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG ist Satz 1 der Vorschrift auf Leistungen von vergleichbaren Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, die weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland haben, entsprechend anzuwenden.
Die im Streitfall leistende Familienstiftung nach schweizerischem Recht war nach den Feststellungen des FG einer inländischen rechtsfähigen Stiftung vergleichbar. Eine (inländische) rechtsfähige Stiftung ist eine sonstige juristische Person des privaten Rechts und unterliegt als solche nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG der KSt.
2. In sachlicher Hinsicht erfasst die Vorschrift alle "Einnahmen aus Leistungen". Der Begriff der Einnahmen entspricht § 8 Abs. 1 EStG und der Begriff der Leistung § 22 Nr. 3 EStG. Erfasst werden danach nicht nur Geldleistungen, sondern auch Sachleistungen wie die Übertragung von Aktien. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Einnahmen einer Gewinnausschüttung wirtschaftlich vergleichbar sein müssen. Zwar kann Gewinnausschüttung nur eine Geldleistung sein, maßgeblich ist jedoch der weite Leistungsbegriff, der Sachleistungen einschließt.
3. Die Einnahmen aus Leistungen müssen einer Gewinnausschüttung wirtschaftlich vergleichbar sein. Dieses nachträglich in das Gesetz eingefügte Merkmal soll gewährleisten, dass nur die Verteilung des erwirtschafteten Überschusses erfasst wird.
a) Daran fehlt es z. B., soweit ein nicht von der KSt befreiter Verein Leistungen an seine Mitglieder gegen Gebühr erbringt (so die Gesetzesbegründung).
b) Nach der Rechtsprechung erfordert die wirtschaftliche Vergleichbarkeit der Einnahmen aus Leistungen mit einer Gewinnausschüttung außerdem, dass die Stellung des Leistungsempfängers wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners entspricht. Erforderlich ist keine rechtliche, sondern eine rein wirtschaftliche Vergl...