Prof. Dr. Hans-Friedrich Lange
Leitsatz
1. Beauftragt eine Ärztekammer als Herausgeber einen Verlag mit der Herstellung und dem Versand eines Ärzteblatts (Kammerzeitschrift) für ihre Mitglieder und überlässt sie dabei dem Verlag das Recht, im eigenen Namen und für eigene Rechnung in dem Ärzteblatt Werbeanzeigen zu platzieren, liegt ein tauschähnlicher Umsatz vor.
2. Bemessungsgrundlage für die Überlassung des Anzeigenplatzierungsrechts durch die Ärztekammer sind die gesamten Kosten, die der Verlag für die Herstellung (einschließlich des Anzeigenteils) und den Versand der Ärzteblätter getragen hat.
Normenkette
§ 3 Abs. 12 Satz 2, § 10 Abs. 2 Sätze 2 und 3, § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Nr. 49 der Anlage 2 UStG, § 162 AO, § 118 Abs. 2 FGO, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a RL 77/388/EWG, Art. 14 Abs. 1, Art. 24 Abs. 1, Art. 73 MwStSystRL, § 133, § 157 BGB
Sachverhalt
Ein Verlag (die Klägerin) stellte für mehrere Landesärztekammern monatlich Kammerzeitschriften ("Ärzteblatt …") her und versandte diese kostenlos an die Mitglieder der Kammern (Ärzte). Die Zeitschriften enthielten einen redaktionellen Teil und Werbeanzeigen.
Die Ärztekammern fungierten als Herausgeber und lieferten die Beiträge wie Nachrichten, Aufsätze, Buchbesprechungen, Fortbildungsangebote etc. für die Zeitschriften, für die sie inhaltlich selbst verantwortlich waren. Sie übertrugen dem Verlag das Recht, die Beiträge zu drucken und zu verbreiten. Die Vertragsparteien trafen auch Abreden über die Platzierung von Werbeanzeigen in den Zeitschriften.
Die Ärztekammern – bis auf eine – zahlten Porto- und Druckkostenzuschüsse in unterschiedlicher Höhe, die sich nach den zuvor kalkulierten Herstellungskosten richteten.
Das FA vertrat die Auffassung, dass im Streitfall tauschähnliche Umsätze mit Baraufgabe vorlägen, wobei der Wert der Leistungen des Verlags gegenüber den Ärztekammern anhand der Herstellungskosten der Zeitschriften zu schätzen sei.
Das FG wies die Klage des Verlags ab (Sächsisches FG, Urteil vom 23.2.2011, 2 K 1894/10, EFG 2012, 1096, Haufe-Index 2752780).
Entscheidung
Die Revision blieb erfolglos. Der BFH entschied, der Verlag habe entgeltliche Leistungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG gegenüber den Ärztekammern durch die Herstellung und Versendung der Ärzteblätter an die Mitglieder erbracht. Es lägen tauschähnliche Umsätze i.S.d. § 3 Abs. 12 Satz 2 UStG vor, wobei das Entgelt der Ärztekammern – neben den von ihnen gezahlten Zuschüssen für Druck- und Portokosten – in der Überlassung der Rechte an den Verlag bestanden habe, Werbeanzeigen in den Zeitschriften zu platzieren.
Das FG habe bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage zutreffend die gesamten Herstellungskosten der Zeitschriften herangezogen. Eine Aufspaltung der Kosten für die Zeitschriften in einen Anzeigenteil und einen Teil für den übrigen Text- und Bildteil sei nicht vorzunehmen, da sie wirtschaftlich eng miteinander verflochten seien und sich gegenseitig bedingt hätten.
Zu Recht habe das FG ferner die Aufwendungen des Verlags für das Porto und den Versand in die Bemessungsgrundlage miteinbezogen, denn diese Versandkosten seien notwendiger Bestandteil für die Erbringung der einheitlichen Leistung.
Bei der Ermittlung der Herstellungskosten seien die angefallenen Produktions- und Portokosten um die erhaltenen Zuschüsse zu kürzen, da der Verlag nur mit dem übersteigenden Betrag wirtschaftlich belastet sei.
Die Leistung des Verlags gegenüber den Ärztekammern unterliege dem ermäßigten Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 49 der Anlage 2 zum UStG, da der wesentliche Leistungsinhalt in der Lieferung einer Zeitschrift bestehe.
Hinweis
Ein steuerbarer Umsatz in Form einer Leistung gegen Entgelt i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG liegt vor, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet.
Besteht das Entgelt für eine sonstige Leistung (Dienstleistung) in einer Lieferung oder sonstigen Leistung, liegt gem. § 3 Abs. 12 Satz 2 UStG ein tauschähnlicher Umsatz vor. Die Vorschrift erfasst auch den Fall, dass als Entgelt für eine sonstige Leistung eine Barzahlung mit einer Lieferung oder sonstigen Leistung verbunden wird (sog. tauschähnlicher Umsatz mit Baraufgabe).
Bei tauschähnlichen Umsätzen gilt nach § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.7.2012 – XI R 11/11