Leitsatz
1. § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG lässt sich bei summarischer Prüfung nicht entnehmen, dass außerhalb des Anwendungsbereiches des § 1 AStG und insbesondere für die allgemeine Gewinnermittlung nach §§ 4ff. EStG eine Veranlassungsprüfung (allein) nach den in den jeweiligen Unternehmensteilen ausgeübten Personalfunktionen vorzunehmen wäre (entgegen BMF-Schreiben vom 22.12.2016, BStBl I 2017, 182, Rz. 451).
2. Auch wenn der bisherigen Senatsrechtsprechung bei der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte eine funktionsgetragene Betrachtungsweise zugrunde liegt, ist ihr jedenfalls nicht zu entnehmen, dass allein die Personalfunktion als maßgebender Zuordnungsparameter anzusehen ist (entgegen BMF-Schreiben vom 26.09.2014, BStBl I 2014, 1258, Tz. 2.2.4.1).
3. Bei Betriebsstätten ohne maßgebliche Personalfunktion ist eine nutzungsbezogene Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern nicht ausgeschlossen (BMF-Schreiben vom 17.12.2019, BStBl I 2020, 84).
Normenkette
§ 4 Abs. 1 Sätze 2, 3 und 4 EStG, § 1 Abs. 5 Sätze 2 und 3 AStG, § 12 AO, § 69, § 129 FGO
Sachverhalt
Die Antragstellerin ist eine KG, deren Kommanditanteile von der KS, einer KG dänischen Rechts, gehalten werden. Persönlich haftende Gesellschafterin der Antragstellerin ist die ApS, eine GmbH dänischen Rechts, Kommanditist eine natürliche Person. Die ApS ist nicht am Kapital der Antragstellerin beteiligt.
Die Antragstellerin betreibt seit dem Jahr 2011 auf einem gepachteten Grundstück im Inland Windenergieanlagen, den "Windpark ...". Sie verfügt weder in Deutschland noch in Dänemark über eigene Mitarbeiter. Die technische und kaufmännische Betriebsführung erfolgt durch zwei deutsche Service- bzw. Verwaltungsgesellschaften auf Grundlage von Betriebsführungs- und Serviceverträgen. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr, der GewSt-Messbetrag für den Erhebungszeitraum und der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31.12.2013 wurden zunächst erklärungsgemäß vom vormals zuständigen FA auf ... EUR festgestellt bzw. festgesetzt. Die Bescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Das FA änderte später die streitgegenständlichen Bescheide, stellte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit ... EUR fest und passte den GewSt-Messbetrag sowie den vortragsfähigen Gewerbeverlust entsprechend an. Das FA ging dabei davon aus, dass aufgrund der Änderungen und Ergänzungen des § 1 Abs. 5 und 6 AStG i.d.F. des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 26.6.2013 (BGBl I 2013, 1809, BStBl I 2013, 802) ab dem 1.1.2013 alle Vermögensgegenstände, Schulden und Geschäftsvorfälle abweichend von den Vorjahren erstmals der Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Dänemark zuzuordnen seien. Hierdurch sei das gesamte Vermögen der Antragstellerin steuerrechtlich "entstrickt" worden.
Über die hiergegen eingelegten Einsprüche ist noch nicht entschieden worden. Die zugleich beantragte AdV lehnte das FA unter dem 21.1.2020 ab. Unter dem 5.11.2020 änderte es die streitgegenständlichen Bescheide erneut und ging nunmehr von Einkünften aus Gewerbebetrieb i.H.v. ... EUR aus.
Am 27.11.2020 hat die Antragstellerin die AdV der angefochtenen Bescheide beantragt. Das FG hat die Vollziehung der Bescheide ausgesetzt und die Beschwerde zugelassen (FG des Saarlandes, Beschluss vom 30.3.2021, 1 V 1374/20; Haufe-Index 14509906, EFG 2021, 1122).
Entscheidung
Der BFH hat die Beschwerde des FA als unbegründet zurückgewiesen, weil er aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Ansatzes eines Entstrickungsgewinns hatte.
Hinweis
1. Es ist eher selten, dass es ein in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangener Beschluss in die amtliche Entscheidungssammlung "schafft", und zeigt das Gewicht, das der I. Senat des BFH den im Streitfall aufgeworfenen Fragen beimisst. Er ist damit einstweilen aufgrund summarischer Prüfung der Auffassung der Finanzverwaltung entgegengetreten.
2. Im Verfahren ging es, und das ist wichtig zu betonen, um die "ganz normale" Gewinnermittlung einer "ganz normalen" KG, die in Deutschland gewerblich tätig war. Sie betrieb nämlich einen Windpark und war als Stromproduzentin am Markt tätig. Am Standort des Windparks war, wie so häufig, kein Personal tätig, da der Wind "gewissermaßen die Arbeit allein erledigte". Diese Personallosigkeit der inländischen Betriebsstätte wurde allerdings mit Inkrafttreten des § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG zum Problem, weil mit dieser außensteuerlichen Regelung Grundsätze u.a. für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern bei Betriebsstätten festgelegt wurden, die vom FA unter Rückgriff auf entsprechende BMF-Schreiben (siehe Leitsätze) dahin gehend angewandt wurden, dass die Wirtschaftsgüter nach den in der Betriebsstätte ausgeübten Personalfunktionen zugeordnet werden. Da der inländische Windpark als Betriebsstätte ohne Personal auskam, sollte das nach Auffassung des FA dazu führen, dass die Wirtschaftsgüter nunmehr der ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen sind. Dies wiederum soll...