Leitsatz
1. Der Tatbestand der Beihilfe zur Steuerhinterziehung ist erfüllt, wenn der Gehilfe dem Haupttäter, der sog. Schwarzgeschäfte tätigt, die Tat dadurch erleichtert, dass dieser annehmen kann, auch in der Buchführung des Gehilfen nicht in Erscheinung zu treten.
2. Bei einer vorsätzlichen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ist die Inanspruchnahme des Gehilfen als Haftungsschuldner auch ohne nähere Darlegung der Ermessenserwägungen als ermessensgerecht nach § 102 FGO anzusehen; die Vorprägung der Ermessensentscheidung durch die Teilnahme an der Steuerhinterziehung ist nicht nur für die Inanspruchnahme dem Grund nach, sondern auch für die Inanspruchnahme der Höhe nach gegeben.
Normenkette
§ 5 AO , § 71 AO , § 191 AO , § 102 FGO , § 27 StGB
Sachverhalt
Der Kläger war als Kommanditist an einer GmbH & Co KG beteiligt. Gleichzeitig war er Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Die KG betrieb einen Großhandel mit Lebensmitteln für asiatische Restaurants. Kunde der KG war u.a. der Betreiber eines China-Restaurants (K).
Bei seinen Bestellungen gab K – wie viele andere Kunden auch – an, über welche Waren er eine ordnungsgemäße Rechnung wünschte und über welche lediglich eine Barverkaufsrechnung ohne Angaben von Name und Adresse erstellt werden sollte. Im Rahmen einer Steuerfahndung wurde festgestellt, dass K in erheblichem Umfang Einnahmen und Ausgaben für Waren, die er über Barverkaufsrechnungen von der KG bezogen hatte, nicht verbucht und dadurch Einkommen- und Umsatzsteuern hinterzogen hatte.
Nachdem K die Steuern nicht gezahlt hatte, Pfändungsmaßnahmen ergebnislos blieben und K rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden war, erließ das FA einen Haftungsbescheid gegenüber dem Kläger und nahm diesen für einen Teil der Schulden des K in Anspruch. Das FG wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das Urteil des FG. Der Kläger habe objektiv und subjektiv Beihilfe zur Steuerhinterziehung des K geleistet und könne deshalb als Haftungsschuldner für dessen Steuerschulden herangezogen werden. Der Haftungsbescheid des FA sei ermessensfehlerfrei.
Hinweis
1. Gem. § 71 AO haftet für verkürzte Steuern, wer eine Steuerhinterziehung begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt. Er kann dann vom FA nach § 191 AO mit Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden.
Teilnehmer an der Steuerhinterziehung eines anderen ist derjenige, der dazu objektiv und subjektiv (vorsätzlich) Beihilfe i.S.d. § 27 Abs. 1 StGB leistet. Dabei reicht jede Handlung aus, die den Taterfolg fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss.
2. Der Kläger hat im Besprechungsfall objektiv Beihilfe zur Steuerhinterziehung des K dadurch geleistet, dass er diesem die Tat erleichtert hat. K konnte nämlich davon ausgehen, dass er wegen des Rechnungssplittings durch die KG als Abnehmer von Waren insoweit in der Buchführung der KG nicht in Erscheinung treten würde, als es sich um Waren handelte, für die lediglich Barverkaufsrechnungen ohne Namensangabe erteilt worden waren. Ob diese Einschätzung zutreffend war oder nicht, spielt dabei keine Rolle.
Den subjektiven Tatbestand der Beihilfe zur Steuerhinterziehung hat der Kläger deshalb erfüllt, weil er das Rechnungssplitting kannte und ihm klar war, dass dieses keinem anderen Zweck dienen konnte, als eine Steuerhinterziehung vorzubereiten.
Beachten Sie: Ein Gehilfenvorsatz liegt selbst dann vor, wenn der Gehilfe den Erfolg der Haupttat nicht wünscht oder ihn lieber vermeiden möchte. Entscheidend ist, dass sein eigenes Verhalten geeignet ist, die fremde Tat zu fördern, und dass er dies erkennt. Unter diesen Voraussetzungen ist ein Beihilfevorsatz selbst dann anzunehmen, wenn der Gehilfe dem Täter ausdrücklich erklärt, dass er dessen Tat missbilligt (vgl. BGH, Urteil vom 1.8.2000, 5 StR 624/99, BStBl II 2001, 79).
3. Die Haftungsinanspruchnahme des Klägers durch das FA war auch ermessensfehlerfrei.
Nach der Rechtsprechung des BFH muss das FA bei einer vorsätzlichen Beihilfe zur Steuerhinterziehung seine Ermessenserwägungen im Haftungsbescheid oder in der Einspruchsentscheidung nicht im Einzelnen darlegen; vielmehr gilt die Ermessensentscheidung in solchen Fällen sowohl dem Grund als auch der Höhe nach als vorgeprägt (vgl. BFH, Urteil vom 26.2.1991, VII R 3/90, BFH/NV 1991, 504). Das sog. Auswahlermessen des FA war auch nicht zu beanstanden. Neben dem Kläger hatte das FA einen zweiten Kommanditisten der KG in Anspruch genommen; der dritte Kommanditist, der haftungsfrei blieb, war in einem anderen Bereich der KG tätig gewesen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.1.2004, XI R 3/03