Prof. Dr. Hans-Friedrich Lange
Leitsatz
Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die als gesetzlicher Träger der Sozialversicherung im Rahmen der von ihr betriebenen Rehabilitationskliniken ohne medizinische Notwendigkeit Begleitpersonen von Patienten gegen privatrechtlich vereinbartes gesondertes Entgelt unterbringt und verpflegt sowie an ihre Mitarbeiter entgeltliche Verpflegungsleistungen erbringt, ist insoweit unternehmerisch tätig und führt steuerbare und steuerpflichtige Umsätze aus, wenn die genannten Leistungen für die Tätigkeiten in den Rehabilitationskliniken nicht unerlässlich sind oder dazu bestimmt sind, den Rehabilitationskliniken zusätzliche Einnahmen zu verschaffen.
Normenkette
§ 2 Abs. 3, § 4 Nr. 15 Buchst. b, § 4 Nr. 16 Buchst. a (a.F.) UStG, , Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und g, Abs. 2 Buchst. b 6. EG-RL, Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und g, Art. 134 EG-RL 112/2006
Sachverhalt
Die Klägerin, eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts, nimmt Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung wahr. Sie betreibt an verschiedenen Orten Rehabilitationskliniken als eigene unselbstständige Einrichtungen ohne Rechtspersönlichkeit.
In den Rehabilitationskliniken wurden auch Begleitpersonen von Patienten (i.d.R. mit Zusatzbett im Patientenzimmer, gelegentlich in Gästezimmern) gegen Zahlung eines gesondert vereinbarten Tagessatzes untergebracht und verpflegt. Die Aufnahme und Verpflegung der Begleitpersonen war von den Patienten erwünscht und medizinisch zweckmäßig, aber nicht medizinisch notwendig.
Das FA unterwarf die Umsätze aus der Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen der Umsatzsteuer, soweit es sich nicht um Begleitpersonen von Schwerstbehinderten oder Kindern unter 14 Jahren handelte.
Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, die außerdem darauf gerichtet war, auch die bisher von der Klägerin als steuerbar und steuerpflichtig behandelten Umsätze aus der Verpflegung von Mitarbeitern nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen, hatte keinen Erfolg (FG Münster, Urteil vom 19.11.2013, 15 K 2352/10 U, Haufe-Index 6330465, EFG 2014, 311).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück.
Die Klägerin sei durch die auf privatrechtlicher Grundlage erfolgte entgeltliche Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen der Patienten und die Verpflegung ihrer Mitarbeiter in ihren Rehabilitationskliniken i.S.v. § 2 Abs. 3 UStG unternehmerisch tätig gewesen und habe insoweit umsatzsteuerbare Leistungen erbracht.
Wie das FG ferner zutreffend entschieden habe, erstrecke sich die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 15 Buchst. b UStG weder auf die Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen der Patienten noch auf die Mitarbeiterverpflegung. Steuerfrei seien bei der gebotenen unionsrechtlichen Auslegung der Vorschrift nur Dienstleistungen der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit oder damit eng verbundene Leistungen. Das sei bei den streitbefangenen Leistungen nicht der Fall. Denn diese seien – gegen gesondert entrichtetes Entgelt – außerhalb eines bestehenden Sozialversicherungsverhältnisses erbracht worden. Die genannten Leistungen seien für die Tätigkeiten in den Rehabilitationskliniken auch nicht unerlässlich gewesen. Außerdem seien sie dazu bestimmt gewesen seien, den Rehabilitationskliniken zusätzliche Einnahmen zu verschaffen.
Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen der Patienten seien auch nicht nach § 4 Nr. 16 Buchst. a UStG a.F. steuerfrei. Diese Leistungen seien zur Erreichung der mit der Behandlung in den Rehabilitationskliniken der Klägerin verfolgten therapeutischen Ziele nicht unerlässlich gewesen, weil sie medizinisch nicht notwendig waren. Entsprechendes gelte für die Mitarbeiterverpflegung. Auch insoweit lägen keine zur Erreichung der mit der Behandlung in den Rehabilitationskliniken der Klägerin verfolgten therapeutischen Ziele unerlässliche Leistungen vor.
Hinweis
Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 15 Buchst. b Satz 1 UStG u.a. die Umsätze der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung an die Versicherten. Das gilt nicht für die Abgabe von Brillen und Brillenteilen einschließlich der Reparaturarbeiten durch Selbstabgabestellen der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung (§ 4 Nr. 15 Buchst. b Satz 2 UStG).
Nach § 4 Nr. 16 Buchst. a UStG a.F. waren u.a. die mit dem Betrieb der Krankenhäuser eng verbundenen Umsätze steuerfrei, wenn die Krankenhäuser – wie hier – von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben wurden. Die gegenwärtig geltende Fassung von § 4 Nr. 16 Buchst. a UStG stellt steuerfrei die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.12.2015 – XI R 52/13