Prof. Dr. Hans-Friedrich Lange
Leitsatz
Die Umsätze aus dem Betrieb einer Kampfsportschule können nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL steuerfrei sein, soweit die erbrachten Leistungen nicht lediglich den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben und vergleichbare Leistungen in Schulen oder Hochschulen erbracht werden.
Normenkette
§ 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i 6. EG-RL, Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL
Sachverhalt
Der Kläger betrieb eine Schule für WingTsun. Bei dieser Sportart handelt es sich nach einer vom Kläger herausgegebenen Werbebroschüre um "Kampf- und Bewegungskunst".
Unter Vorlage einer Bescheinigung des zuständigen Ministeriums für Bildung, Kultur und Wissenschaft, wonach die vom Kläger erbrachten Unterrichtsleistungen zur Vorbereitung auf den Beruf des Kampfkunstlehrers WingTsun steuerfreie Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG darstellten, beantragte dieser, die zunächst als steuerpflichtig erklärten Umsätze nunmehr als umsatzsteuerfrei zu behandeln. Das FA beurteilte die Umsätze hingegen weiterhin als steuerpflichtig.
Das FG wies die Klage ab, weil die WingTsun-Schule des Klägers keine berufsbildende Einrichtung i.S.v. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG sei und die Umsätze ebenso wenig nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL – nunmehr Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der MwStSystRL – von der Umsatzsteuer befreit seien (FG des Saarlandes, Urteil vom 1.6.2011, 2 K 1127/09, Haufe-Index 2944296).
Entscheidung
Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Der BFH entschied, dass eine Steuerfreiheit der streitigen Leistungen (jedenfalls) nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL in Betracht komme. Für die nach dieser Bestimmung erforderliche Anerkennung genüge die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, die sowohl die Finanzbehörden als auch die Finanzgerichte dahingehend binde, dass es sich bei der anerkannten Einrichtung um eine solche mit vergleichbarer Zielsetzung handele. Der Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" in Art. 13 Teil A Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i der 6. EG-RL beschränke sich nicht auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führe oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittle, sondern er schließe andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt werde, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hätten.
Der BFH verwies die Sache an das FG zurück, damit es Feststellungen dazu trifft, ob und ggf. welche der vom Kläger in seiner Schule angebotenen Unterweisungen den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben und ob vergleichbare Leistungen in Schulen oder Hochschulen, gleich ob öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisiert, erbracht werden.
Hinweis
Die Mitgliedstaaten befreien nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL die Umsätze von der Steuer, die "die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" betreffen.
Auf diese Bestimmung kann sich ein Steuerpflichtiger berufen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.5.2013 – XI R 35/11